Junges Schauspiel feiert mit Baltscheit-Stück
Seinen 40. Geburtstag beging das Haus mit der Premiere der Parabel „Die besseren Wälder“. Es wurde ein großer Abend.
Vor Beginn der Vorstellung im Jungen Schauspiel hieß es wie immer: Handys ausschalten! Das wäre kaum erwähnenswert, wenn an diesem Abend nicht der 40. Geburtstag des Hauses gefeiert werden sollte. Von Mobiltelefonen, die heute das Leben der Kinder und Jugendlichen so sehr im Griff haben, wagte 1976 noch niemand zu träumen. Zwanzig Jahre später drehte sich beinahe al-
Ein Wolf im Schafspelz kann so gut blöken, dass er das „Schafe Maria“
singen darf
les um elektronische Küken aus Japan, die Tamagotchis. Handys hingegen waren nur wenigen bekannt. Telekommunikation und virtuelle Welten haben die Generationen-Zyklen sprunghaft verkürzt. Auf diese dramatischen Veränderungen ging erstaunlicherweise keiner der Festredner ein. Dabei zeigte gerade die Düsseldorfer Premiere von Martin Baltscheits komödiantischer Parabel „Die besseren Wälder“, wie sehr die einfachsten Stilmittel auf der Bühne ihren Zauber immer noch entfalten können.
Die Inszenierung hatte ihre Uraufführung bereits 2012 am Berliner Grips-Theater. Stefan Fischer-Fels, der Leiter des Jungen Schauspiels, war damals fünf Jahre lang Chef in Berlin. In Düsseldorf bleibt alles gleich, bis auf drei der fünf jungen Darsteller, die man austauschen musste. Das Stück handelt, wie der Autor schreibt, „von einem Wolf, der glaubt, er sei ein Schaf, und einer Gans, die denkt, sie sei ein Fuchs, und einem Bär, der behauptet, er sei eine Biene“.
Anfang und Schluss der Handlung gehören einem Wolfsrudel. Von Menschen gejagt, sucht es in den „besseren Wäldern“nach einem sicheren Leben. Als seine Eltern erschossen werden, wird ein Wolfsjunges von Schafen großgezogen. Die zwei weiblichen und drei männlichen Spieler zeigen eine Tiermenschenwelt, die ständig aus den Fugen gerät. Wölfe lieben Lämmer, vor allem als Keule oder Döner, heißt es da. Beim Sprachunterricht des Wolfswaisen wird aus dem Hecheln und Heulen ein sanftes Blöken, naturgemäß eine ziemliche Tortur.
Das neu gelernte „Mäh-Mäh“kommt derart gut an, dass dem Schaf im Wolfspelz die Ehre zufällt, das „Schafe Maria“zu singen. In den recht turbulenten Episoden ist bei allen Darstellern ihr Ganzkörpereinsatz gefordert, was sie mit Bravour bewältigen. Die Geschichte vom Erwachsenwerden eines Wolfsjungen erinnert wohl viele Zuschauer an „Mowglis“Abenteuer im indischen Dschungel. Tatsächlich hat Martin Baltscheit vor einigen Jahren Rudyard Kiplings „Dschungelbücher“in einer Neuausgabe illustriert.
Im September 1976 eröffnete Barbara Oertel-Burduli unter der Inten- danz von Günther Beelitz das „Kinder- und Jugendtheater am Düsseldorfer Schauspielhaus“. Siebzehn Jahre später erhielt die Einrichtung ihr eigenes Haus in der Münsterstraße 446, einer ehemaligen Torpedofabrik. Bis heute verzeichnet man bei 211 Premieren über zwei Millionen kleine und große Besucher. Eine beispiellose Erfolgsgeschichte.
Dem in Düsseldorf lebenden Autor Martin Baltscheit fiel beim Grußwort-Parcours anlässlich des 40. Geburtstags der „Löwen“-anteil zu. Eine Pelzmütze als Mähne schüttelnd, stellte er klar: „Kultur ist nicht angeboren, angeboren ist nur die Fähigkeit zur Kultur.“
Gut gebrüllt, Löwe.