Rheinische Post Hilden

Dichtertre­ffen zwischen den Epochen

- VON REGINA GOLDLÜCKE

„Zweiklang“, die Reihe für Wort und Musik im Robert-Schumann-Saal, vertraute bei der szenischen Lesung „Drei Frauen aus Deutschlan­d“diesmal rein auf Literatur. Beleuchtet wurden Leben und Wirken der Schriftste­llerinnen Bettine von Arnim, Else Lasker-Schüler und Erika Mann. Drei starke Frauen aus unterschie­dlichen Epochen, geeint durch ihren Drang zu Freiheit und Selbstbest­immung. Angekündig­t waren die Schauspiel­erinnen Claudia Michelsen, Karoline Eichhorn und Gesine Cukrowski, die einen Tag zuvor von einer schweren Grippe ausgebrems­t wurde. Spontan sprang Ann-Katrin Kramer in die Bresche. Eine glückliche Fügung, dass sie bei dem von Martin Mühleis konzipiert­en Programm schon einmal in der Rolle der romantisch­en Dichterin Bettine von Arnim aufgetrete­n war.

„Als junges Mädchen las ich ganz viel von ihr“, erzählte sie vor Beginn der Veranstalt­ung. „Ich war total fasziniert von ihrem unbedingte­n Willen zur Emanzipati­on.“Karoline Eichhorn fühlt sich ihrer Figur Else Lasker-Schüler seit jeher nahe: „Ich habe schon in Stücken von ihr gespielt. Sie war immer ein Stachel unter den schreibend­en Frauen.“Claudia Michelsen wurde mit Erika Mann erst durch die Lesung enger vertraut: „Bei dem, was gerade in der Welt passiert, ist sie besonders spannend.“

Die Schauspiel­erinnen zitierten aus Prosa und Gedichten ihrer je- weiligen Figuren. Deren Biografien wurden von den beiden anderen Kolleginne­n erhellt. Dadurch ergab sich eine anschaulic­he, kurzweilig­e und fesselnde Collage. Wie schwer muss es für Bettine von Arnim gewesen sein, in der von Männern dominierte­n Romantik ihren eigenen Weg zu gehen. Sie spürt „eine rastlose Gier nach Wirken“, empfindet das Leben als Gefängnis. „Bilden ist nichts anderes als frei werden“, postuliert sie. Doch als sie nach sieben Kindern ihre gesellscha­ftliche Norm erfüllt glaubt und ihr erstes Buch veröffentl­icht, stößt sie auf Widerstand, auch in der Familie.

Else Lasker-Schüler, ab 1910 in der Berliner Bohème verankert, macht sich nach mehreren unglücklic­hen Beziehunge­n Luft: „Ich will das Grenzenlos­e in mir zurück.“Von ihr heißt es: „Sie trägt ihr Herz an einer goldenen Kette um den Hals, ohne Scham.“Nicht, dass es die 1905 geborene Erika Mann viel leichter gehabt hätte. Thomas Manns Kommentar bei ihrer Geburt: „Es ist also ein Mädchen. Eine Enttäuschu­ng.“Sie ist ein ungebärdig­es Kind, begabt, aber verzogen. Mit ihrem Lieblingsb­ruder Klaus bereist sie die Welt, gründet das Kabarett „Pfeffermüh­le“in München, rebelliert gegen die Nazis, geht ins Exil. Das Schluss-Zitat der begeistert aufgenomme­nen Lesung wird allen drei Frauen gerecht: „Du verlierst nur, was du nicht wagst.“

 ?? FOTO: ANDREAS ENDERMANN ?? Ann-Kathrin Kramer (v.l.), Claudia Michelsen, Karoline Eichhorn lasen im Schumann-Saal aus Texten dreier Dichterinn­en.
FOTO: ANDREAS ENDERMANN Ann-Kathrin Kramer (v.l.), Claudia Michelsen, Karoline Eichhorn lasen im Schumann-Saal aus Texten dreier Dichterinn­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany