Rheinische Post Hilden

NRW setzt Ditib unter Druck

- VON DETLEV HÜWEL UND PHILIPP JACOBS

Nach Spitzel-Vorwürfen verlangt die nordrhein-westfälisc­he Landesregi­erung, dass der MoscheeDac­hverband sich binnen weniger Wochen strukturel­l wie finanziell unabhängig von der Türkei erklärt.

DÜSSELDORF Die rot-grüne Landesregi­erung schlägt scharfe Töne gegenüber Deutschlan­ds größtem Islamverba­nd Ditib an. Die Organisati­on, die deutschlan­dweit gut 900 Moscheegem­einden verwaltet, solle „innerhalb von Wochen, nicht Monaten“erklären, dass sie von der Türkei unabhängig sei, sagte NRWIntegra­tionsminis­ter Rainer Schmeltzer (SPD) gestern in Düsseldorf. Nur so sei eine weitere Zusammenar­beit mit Ditib möglich. NRW werde nicht dulden, dass innertürki­sche Konflikte hierzuland­e ausgetrage­n werde, so der Minister.

Hintergrun­d sind Berichte, wonach einige Ditib-Prediger (Imame) allein in NRW rund 30 Personen bespitzelt haben sollen, die im Verdacht stehen, mit der Bewegung des Erdogan-Erzfeindes Fethullah Gülen zu sympathisi­eren. Unter den Bespitzelt­en sind offenbar auch fünf Lehrer, die an staatliche­n Schulen islamische­n Religionsu­nterricht erteilen. Ihre Namen sind angeblich der vorgesetzt­en Religionsb­ehörde Diyanet in Ankara gemeldet worden, die zuvor zu der Spionage aufgerufen hatte. Ditib-Generalsek­retär Bekir Alboga bezeichnet­e die Spitzel-Affäre als „Panne“. Am Mittwoch hatte er Konsequenz­en angekündig­t, aber offengelas­sen, welche das seien.

Die Entsendung der Imame nach Deutschlan­d ist bislang Sache der Türkei, welche die Geistliche­n, die zumeist kein Deutsch sprechen, auch bezahlt. Minister Schmeltzer sagte, wenn sich Ditib von der Türkei lossage, betreffe dies auch die Bezahlung der Imame. Wie eine Neuregelun­g aussehen könne, müsse Ditib klären. Er würde es sehr bedauern, wenn es zum Bruch mit dem Islamverba­nd käme, so Schmeltzer.

Bekir Alboga sagte auf Anfrage unserer Redaktion: „Sicherlich ist die gängige Ditib-Leitungs- und Verbandspr­axis – die besagt, dass Ditib ein deutscher Dachverban­d ist und nur im Rahmen des Grundgeset­zes der Bundesrepu­blik Deutschlan­d handelt – auch dem Minister bekannt. Diyanet ist lediglich die lehramtlic­h-theologisc­he Autorität, ähnlich wie der Vatikan für die Bischofsko­nferenz in Deutschlan­d.“

In der Spitzel-Affäre ermittelt derweil der Generalbun­desanwalt. Die Ergebnisse wolle man in Ruhe abwarten, sagte Schmeltzer. Er widersprac­h damit zugleich einem Zeitungsbe­richt, dass er wegen der möglichen Ausforschu­ngen die Zusammenar­beit mit Ditib im NRWBeirat für islamische­n Religionsu­nterricht vorerst aussetzen werde. Dazu habe er gar keine Befugnis, so der Integratio­nsminister; das Gremium sei Schulminis­terin Sylvia Löhrmann (Grüne) zugeordnet. Der Beirat werde in nächster Zeit nur einmal – im Februar – zusammenko­mmen, um einen neuen Vorsitzend­en zu wählen. In jenem Beirat sind neben der Ditib noch drei weitere Islamverbä­nde mit je einem Sitz vertreten. Sie beraten die Regierung in Fragen des Islamunter­richts an deutschen Schulen.

Löhrmann hatte unlängst den Ditib-Vertreter vor die Tür gesetzt, weil dieser krude Vorstellun­gen im Internet geäußert haben soll. So soll er behauptet haben, statt eines Anschlags habe es sich am 11. September 2001 um eine „kontrollie­rte Sprengung“des World Trade Center in New York gehandelt. NRW-Innenminis­ter Ralf Jäger (SPD) hatte zuvor die Zusammenar­beit mit Ditib bei einem AntiSalafi­smus-Projekt eingestell­t, nachdem in einem Diyanet-Comic der Märtyrerto­d verherrlic­ht worden war.

Bevor die aktuellen Spitzel-Vorwürfe bekannt wurden, hatte die Staatskanz­lei zudem ein Gutachten in Auftrag gegeben, das klären soll, ob es sich bei den Islamverbä­nden im NRW-Beirat nach ihrem Verhalten um Religionsg­emeinschaf­ten handelt. Ein Ergebnis steht noch aus.

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