NRW setzt Ditib unter Druck
Nach Spitzel-Vorwürfen verlangt die nordrhein-westfälische Landesregierung, dass der MoscheeDachverband sich binnen weniger Wochen strukturell wie finanziell unabhängig von der Türkei erklärt.
DÜSSELDORF Die rot-grüne Landesregierung schlägt scharfe Töne gegenüber Deutschlands größtem Islamverband Ditib an. Die Organisation, die deutschlandweit gut 900 Moscheegemeinden verwaltet, solle „innerhalb von Wochen, nicht Monaten“erklären, dass sie von der Türkei unabhängig sei, sagte NRWIntegrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD) gestern in Düsseldorf. Nur so sei eine weitere Zusammenarbeit mit Ditib möglich. NRW werde nicht dulden, dass innertürkische Konflikte hierzulande ausgetragen werde, so der Minister.
Hintergrund sind Berichte, wonach einige Ditib-Prediger (Imame) allein in NRW rund 30 Personen bespitzelt haben sollen, die im Verdacht stehen, mit der Bewegung des Erdogan-Erzfeindes Fethullah Gülen zu sympathisieren. Unter den Bespitzelten sind offenbar auch fünf Lehrer, die an staatlichen Schulen islamischen Religionsunterricht erteilen. Ihre Namen sind angeblich der vorgesetzten Religionsbehörde Diyanet in Ankara gemeldet worden, die zuvor zu der Spionage aufgerufen hatte. Ditib-Generalsekretär Bekir Alboga bezeichnete die Spitzel-Affäre als „Panne“. Am Mittwoch hatte er Konsequenzen angekündigt, aber offengelassen, welche das seien.
Die Entsendung der Imame nach Deutschland ist bislang Sache der Türkei, welche die Geistlichen, die zumeist kein Deutsch sprechen, auch bezahlt. Minister Schmeltzer sagte, wenn sich Ditib von der Türkei lossage, betreffe dies auch die Bezahlung der Imame. Wie eine Neuregelung aussehen könne, müsse Ditib klären. Er würde es sehr bedauern, wenn es zum Bruch mit dem Islamverband käme, so Schmeltzer.
Bekir Alboga sagte auf Anfrage unserer Redaktion: „Sicherlich ist die gängige Ditib-Leitungs- und Verbandspraxis – die besagt, dass Ditib ein deutscher Dachverband ist und nur im Rahmen des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland handelt – auch dem Minister bekannt. Diyanet ist lediglich die lehramtlich-theologische Autorität, ähnlich wie der Vatikan für die Bischofskonferenz in Deutschland.“
In der Spitzel-Affäre ermittelt derweil der Generalbundesanwalt. Die Ergebnisse wolle man in Ruhe abwarten, sagte Schmeltzer. Er widersprach damit zugleich einem Zeitungsbericht, dass er wegen der möglichen Ausforschungen die Zusammenarbeit mit Ditib im NRWBeirat für islamischen Religionsunterricht vorerst aussetzen werde. Dazu habe er gar keine Befugnis, so der Integrationsminister; das Gremium sei Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) zugeordnet. Der Beirat werde in nächster Zeit nur einmal – im Februar – zusammenkommen, um einen neuen Vorsitzenden zu wählen. In jenem Beirat sind neben der Ditib noch drei weitere Islamverbände mit je einem Sitz vertreten. Sie beraten die Regierung in Fragen des Islamunterrichts an deutschen Schulen.
Löhrmann hatte unlängst den Ditib-Vertreter vor die Tür gesetzt, weil dieser krude Vorstellungen im Internet geäußert haben soll. So soll er behauptet haben, statt eines Anschlags habe es sich am 11. September 2001 um eine „kontrollierte Sprengung“des World Trade Center in New York gehandelt. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hatte zuvor die Zusammenarbeit mit Ditib bei einem AntiSalafismus-Projekt eingestellt, nachdem in einem Diyanet-Comic der Märtyrertod verherrlicht worden war.
Bevor die aktuellen Spitzel-Vorwürfe bekannt wurden, hatte die Staatskanzlei zudem ein Gutachten in Auftrag gegeben, das klären soll, ob es sich bei den Islamverbänden im NRW-Beirat nach ihrem Verhalten um Religionsgemeinschaften handelt. Ein Ergebnis steht noch aus.