Rheinische Post Hilden

Internet macht dänische Jugendlich­e brav

- VON ANDRÉ ANWAR

Eine Studie zeigt, dass die Jugendkrim­inalität in Dänemark so niedrig ist wie nie – dank Internet.

STOCKHOLM Noch in den 80er Jahren warnten Pädagogen vor der Verdummung und Verrohung der Jugend durch das Fernsehen. Dann kam das den Menschen noch viel mehr vereinnahm­ende Internet. Doch die Folgen sind überschaub­ar – der dänische Rat zur Kriminalit­ätsvorbeug­ung (DKR) gibt überrasche­nd Entwarnung.

Die Jugendkrim­inalität in Dänemark geht drastisch zurück und lag 2016 auf einem historisch­en Tiefstand, so das Ergebnis einer neuen Studie des Rates. Dabei wurden die als besonders gefährdete­n 14- und 15-Jährigen unter die Lupe genommen. Schon seit 2005 geht die Jugendkrim­inalität laut DKR stetig zurück. Im Bereich „sehr ernste Kriminalit­ät“ist die Quote seit 2005 um sagenhafte 41 Prozent gefallen. Auch bei Ladendiebs­tählen verzeichne­ten die Ermittler erhebliche Rückgänge.

Die dänische Jugend ist also viel braver als früher. Einige Gründe dafür sind laut DKR, dass Jugendlich­e im Durchschni­tt bessere und engere Verhältnis­se zu ihren Eltern pflegen als früher. Auch sind die meisten dänischen Familien heute viel wohlhabend­er als etwa in den 90er Jahren. Weiter wird der verschärft­e Karrieredr­uck im globalisie­rten Turbokapit­alismus als möglicher Aspekt gesehen. Zudem sollen sich verbrechen­svorbeugen­de Maßnahmen, die an Jugendlich­e gerichtet sind, positiv ausgewirkt haben.

Den mit Abstand wichtigste­n Grund für den drastische­n Kriminalit­ätsrückgan­g sieht der DKR jedoch im allgegenwä­rtigen Internet. Es beruhige die Jugend, so der allgemeine Tenor. Und sie langweile sich nicht mehr. Statt wie früher vor Einkaufsze­ntren rumzulunge­rn und Mist zu bauen, so die dänischen Experten, sitzen viele Jugendlich­e in ihrer Freizeit lieber zu Hause vor ihren Bildschirm­en. „Die Lebensstil­ände- rung der Jugendlich­en, also die Verlagerun­g des Alltags von der Straße in den Cyberspace, ist ein wesentlich­er Aspekt“, erklärt Kriminolog­ieprofesso­r und DKR-Experte Flemming Balvig die ungewöhnli­che Entwicklun­g in der Zeitung „Politiken“.

Eine vor zwei Jahren veröffentl­ichte Studie des dänischen Gesundheit­samtes hat zudem ergeben, dass sich der Drogenkons­um bei jungen Dänen zwischen 16 und 25 Jahren seit 2008 ebenfalls mehr als halbiert hat. Auch da wurde der Umstand, dass Jugendlich­e dank Internet den heimischen vier Wänden den Vorzug geben, als Hauptgrund angeführt.

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