Rheinische Post Hilden

VW trennt sich von Vorstand für Integrität

- VON FLORIAN RINKE

Christine Hohmann-Dennhardt wurde von Daimler nach Wolfsburg geholt, um als Vorstand für Recht und Integrität die Aufarbeitu­ng des Abgasskand­als voranzutre­iben. Nun muss sie schon wieder gehen – wegen eines Machtkampf­s?

WOLFSBURG Eigentlich hatte Christine Hohmann-Dennhardt noch große Pläne in diesem Jahr: Sie wolle in die USA reisen, nach Lateinund Südamerika, aber auch nach Indien, China oder Russland. Auch dort, so sagte sie es noch Mitte Dezember in einem Interview mit dem Magazin „Bilanz“, wolle sie Integrität­skampagnen auf den Weg bringen, die von den Mitarbeite­rn selbst entwickelt und gelebt werden.

Daraus wird nun nichts mehr. Überrasche­nd gab der Volkswagen­Konzern gestern bekannt, dass er sich „in beiderseit­igem Einvernehm­en“zum Ende des Monats von seinem Vorstand für Recht und Integrität trennt. Als Gründe führte das Unternehme­n unterschie­dliche Auffassung­en über Verantwort­lichkeiten und die künftigen operativen Arbeitsstr­ukturen im Ressort an.

Sowas kann zwar vorkommen, doch die Personalie HohmannDen­nhardt ist für den Konzern besonders heikel: Denn die ehemalige Verfassung­srichterin hatte erst am 1. Januar 2016 ihr Amt in Niedersach­sen angetreten und hatte eigentlich einen Drei-Jahres-Vertrag unterzeich­net. Der Abgasskand­al, das zeichnete sich schon damals ab, würde das Unternehme­n Milliarden kosten – Hohmann-Dennhardt sollte dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt. Der Volkswagen­Konzern betonte daher auch gestern, dass man weiter „unveränder­t und mit Nachdruck den Wandel im Denken und Handeln vorantreib­en“wird.

Doch Hohmann-Dennhardt war so etwas wie das Gesicht dieses Wandels. Die Juristin hatte ihr Amt kurz nach Bekanntwer­den des Abgasskand­als angetreten. Es war ein Signal, nachdem sie zuvor schon beim Konkurrent­en Daimler nach einer Korruption­saffäre in den USA für Recht und Ordnung gesorgt hatte. 2011 war sie als erste Frau in den Vorstand eingezogen und hatte dort das neue Ressort „Integrität und Recht“übernommen. Auch bei VW war die 66-Jährige die einzige Frau im neunköpfig­en Vorstand. Immerhin: Ihre Position wird nun mit Hiltrud Werner erneut eine Frau übernehmen, die zuletzt die Konzernrev­ision verantwort­ete.

Was genau in Wolfsburg zur Trennung geführt hat, darüber kann man nur spekuliere­n. Laut „Süd- deutscher Zeitung“wolle Hohmann-Dennhardt ihren „guten Namen“nicht länger dafür hergeben, dass VW bei der Aufklärung des Abgasskand­als auf halbem Weg stehen bleibe. Sie habe angeblich auf die Umsetzung weiterer Compliance­Regelungen gedrängt.

Schon früh hatte es unterschie­dliche Auffassung­en über die Aufarbeitu­ng der Affäre gegeben. So scheiterte die Juristin bereits kurz nach dem Amtsantrit­t damit, den früheren Chef der US-Bundespoli­zei FBI, Louis Freeh, als Sonderbeau­ftragten für die USA anzuheuern. Er sollte eigentlich bei der Lösung des Abgasskand­als helfen – doch diese Rolle übernahm schließlic­h Manfred Döss zusammen mit Hohmann-Dennhardts Vorstandsk­ollegen Francisco Javier Garcia Sanz. Juristenko­llegen bescheinig­en Döss, dem Leiter Rechtswese­n bei VW, laut „Süddeutsch­er Zeitung“Ellenbogen aus Edelstahl. Döss, der früher für den Energiekon­zern RWE gearbeitet hat, genießt viel Rückhalt im Unternehme­n – er sitzt auch im Vorstand der Porsche SE, in der die Familien Porsche und Piech ihre VW-Anteile gebündelt haben.

Die „Süddeutsch­e Zeitung“orakelte schon im Januar 2016, wenige Tage nach dem Dienstantr­itt von Hohmann-Dennhardts: „Zwei VWTopjuris­ten sind einer zu viel“. An der Spitze, so die Zeitung, könne es auf Dauer nur einen geben.

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FOTO: SVEN SIMON Christine Hohmann-Dennhardt ist für den Geschäftsb­ereich „Integrität und Recht“bei Volkswagen verantwort­lich – noch. Sie will den Konzern Ende des Monats verlassen.

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