Rheinische Post Hilden

Die „Welschenma­uer“ist entzaubert

- VON SABINE MAGUIRE

Beim Stöbern in den Gruitener Archiven fand Lothar Weller jetzt Material, das einige Fragen klärt.

HAAN Welschenma­uer, Welsche Mauer, Welschenha­us? Was davon gab es wann in Gruiten und warum? Geht es um die Lokalgesch­ichte, lauern auch schon mal eklatante Irrtümer. Möglicherw­eise hat irgendwann mal jemand irgendwas dazu gesagt oder geschriebe­n – und schon geht ein Sachverhal­t in die Annalen ein, der vor allem diesen unter Historiker­n häufig zitierten Satz auf den Plan ruft: Geschichte ist die Lüge, auf die wir uns geeinigt haben. Auch Lothar Weller weiß: Man sollte nicht alles glauben, was irgendwo geschriebe­n steht. Diesmal also war es die „Welschenma­uer“, die den Kirchhof am Nikolaustu­rm umgibt, die seine Zweifel auf den Plan riefen. Und das, obwohl an eben jener Welschenma­uer bereits ein Schild hängt, auf der die Mauer als ebensolche ausgewiese­n wird und auf dem zu lesen ist „Die Mauer dürfte im 12. Jahrhunder­t als Wehrmauer der Kirche erbaut worden sein. Der Name „welch“(fremd) deutet darauf hin, dass sie von Fremden gebaut wurde.“

Dürfte gebaut worden sein? Und dann auch noch von Fremden? Ziemlich viele Unbekannte in einer Gleichung, die aus Sicht von Lothar Weller möglicherw­eise ganz anders gelöst werden könnte. Jedenfalls wollte sich der Hobbyhisto­riker damit nicht zufriedeng­eben. Und so ging sie mal wieder los, die Suche nach Brauchbare­m in allerlei Chroniken.

„Die Mauer ist uralt, das wird von niemandem bezweifelt. Aber ist es der Name `Welschenma­uer` auch“, fragte sich Lothar Weller zu Beginn seiner Recherchen. Dabei stieß er auf einige Merkwürdig­keiten, die ihn offenbar zweifeln ließen an dem, was vermeintli­ch schon festgeschr­ieben worden war. Dazu gehörte auch, dass die Welschenma­uer und ihre Entstehung vor zwei Jahren plötzlich wieder in aller Munde war. Damals wurde der Nikolaus- turm saniert. Und als es in einer Dokumentat­ion auch um die ehemalige Nikolauski­rche ging, erinnerte man sich wieder an die Welschenma­uer. Deren vermutete Entstehung­sgeschicht­e färbte – ohne die Sache genauer zu hinterfrag­en – offenbar auf die Kirchenges­chichte ab. „Sie wurde zur Untermauer­ung der These herangezog­en, die romanische Kirche Gruitens sei im ausgehende­n 11. Jahrhunder­t von fremden Kaufleuten erbaut worden“, weiß Lothar Weller.

Ein Schornstei­nfegerbuch aus dem 19. Jahrhunder­t, etliche Schriftstü­cke aus den Gruitener Archiven und schlussend­lich ein Lagerbuch der St.-Nikolaus-Gemeinde gaben Hinweise. Am Ende einer umfangreic­hen Suche war der Mythos entzaubert. „Die Mauer ist uralt, aber der Name ist brandneu. Und die Welsche Mauer war keine Mauer, sondern ein Haus“, ist sich Lothar Weller sicher. Das Haus sei im Fachwerkst­il gebaut gewesen und im Jahre 1902 abgerissen worden. Und was bleibt von der Welschenma­uer am Nikolaustu­rm? Vermutlich einfach nur eine schöne alte Mauer.

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