Danke, Donald Trump!
Der Einreisestopp des US-Präsidenten für Millionen Muslime wirkt abschreckend. Deutschland kann von der migrationsfeindlichen Politik profitieren, wenn es schneller die richtigen Weichen für ein Einwanderungsgesetz stellt.
BERLIN Jasmin Tabatabai ist entsetzt. Mit einem Federstrich hat US-Präsident Donald Trump verfügt, dass die Deutsch-Iranerin nicht mehr in die USA einreisen kann, weil sie neben dem deutschen einen iranischen Pass besitzt. „Bei allem Verständnis dafür, dass man sein Land gegen islamistischen Terror schützen will: Millionen Menschen pauschal und willkürlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit unter Generalverdacht zu stellen, kann nicht die Lösung sein“, sagt die Schauspielerin. Trumps Dekret sei „absurd, unmenschlich und tritt Werte, auf die die USA so stolz sind, mit Füßen“.
Am Freitag hatte Trump einen 90-tägigen Einreisestopp für Menschen aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern verfügt, als Kern seiner AntiTerror-Politik. Er sperrte auch sämtliche Flüchtlinge für 120 Tage aus, jene aus Syrien sogar auf unbestimmte Zeit. Bundeskanzlerin Angela Merkel hielt ihm daraufhin vor, die Genfer Flüchtlingskonvention zu brechen, die auch die USA unterzeichnet hätten. Weltweit hagelte es Proteste, in den USA brachte das Dekret wütende Demonstranten auf die Straßen.
Bislang ficht Trump das nicht an. Für humanitäre Argumente wird er ohnehin schwer zugänglich sein, eher schon für wirtschaftliche. Und die gibt es bereits. Die USA, lautet die Warnung von Wirtschafts- und Migrationsexperten an Trump, werden mit dieser Politik der Abschreckung an Attraktivität für qualifizierte Zuwanderer verlieren, US-Unternehmen bald Probleme mit der Rekrutierung bekommen.
Andere Länder dürften davon profitieren. Dies gilt für Kanada als geografisch und sprachlich naheliegendes Zielland in Nordamerika. Und es gilt immer stärker auch für Deutschland, das seine Anziehungskraft für Zuwanderer ohnehin schon und nicht erst seit der Flüchtlingskrise deutlich hat steigern können. „Viele andere Länder, die attraktiver als Deutschland sind, gibt es für Hochqualifizierte im Augenblick auf der Welt nicht“, sagt Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Das liege an dem bereits über Jahre andauernden Aufschwung, der geringen Arbeitslosigkeit. „In der Tat hat Deutschland wegen der Politik von Donald Trump, die viele abschreckt, jetzt große Chancen, noch mehr zum Zufluchtsort für qualifizierte Zuwanderer aus aller Welt zu werden.“
Noch aber seien die USA für Akademiker das interessantere Zielland, sagt Herbert Brücker, Migrationsforscher am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Hochqualifizierte könnten in den USA sehr oft deutlich mehr Geld verdienen als in Deutschland. Für Wissenschaftler seien die Forschungsbedingungen in den USA oft besser, das Umfeld sei hochkarätiger. Einen besonders hohen Ertrag erziele man als Akademiker, wenn man die hohen amerikanischen Universitätsgebühren umgehe, indem man in Deutschland studiere.
Doch die Bundesrepublik hat als Zielland im vergangenen Jahrzehnt deutlich aufgeholt. Heute ist sie weltweit eines der wichtigsten Länder für Studierende. Wer seinen Abschluss hier macht, hat 18 Monate Zeit, sich einen Arbeitsplatz zu suchen, wenn er in Deutschland bleiben will.
Die Qualifikationsstruktur der Zuwanderer hatte sich nach den Untersuchungen des IAB seit Mitte der 90er Jahre gegenüber früheren Einwanderungswellen kontinuierlich verbessert. Der Akademikeranteil an allen Migranten habe 2014 bei 40 Prozent und damit doppelt so hoch wie in der deutschen Bevölkerung gelegen, sagt Brücker. Vor allem aus anderen EU-Ländern strömen Qualifizierte nach Deutschland – auch als Folge der europäischen Finanzkrise. Erst die hohe Flüchtlingsmi-
Marcel Fratzscher gration 2015 habe die Qualifikationsstruktur etwas verschlechtert.
Künftig könnte sie sich wieder verbessern. Denn „Trumps Maßnahmen destabilisieren die USA als Zielland für Zuwanderer aus Schwellenländern, insbesondere aus muslimischen Ländern“, sagt Brücker. „Als junger Iraner würde ich jetzt nicht unbedingt in die USA gehen.“Sollten die USA als Standort für Top-Talente unattraktiver werden, „so haben wir sicher Bedarf – gerade im Bereich Digitalisierung“, sagt Michael Fuchs, Vizechef der Unionsfraktion. „Wen Google gebrauchen kann, der kann auch Siemens helfen.“
Allerdings fehlt Deutschland ein Einwanderungsgesetz, mit dem es die qualifizierte Zuwanderung steuern könnte. Überfällig sei ein solches Gesetz, weil die qualifizierte Zuwanderung aus Drittstaaten bisher überhaupt nicht funktioniere, bemängelt Migrationsforscher Brücker. Es gebe zwar viele Instrumente, etwa die „Blue Card“für bestimmte Berufsgruppen, aber es kämen durch sie immer nur ein paar Hundert pro Jahr. Benötigt würden aber aus demografischen Gründen jedes Jahr Hunderttausende, wenn Deutschland seinen Wohlstand sichern wolle. „Wir brauchen rasch ein Einwanderungsgesetz, um die Regeln für die Zuwanderer aus Drittstaaten radikal zu vereinfachen und die Schwellen der Arbeitsmigration zu senken“, sagt Brücker. Der Anteil der Erwerbsmigranten müsse von derzeit zehn auf 50 Prozent steigen.
Das hört sich vernünftig an, doch ist ein Einwanderungsgesetz neben dem geltenden Asylrecht mehrheitsfähig? Viele politische Kräfte machen dagegen Stimmung, namentlich die AfD und die CSU. Hinzu kommt die erschreckende Zunahme der Zahl fremdenfeindlicher Angriffe. Willkommenskultur war gestern, heute beherrschen Fremdenfeinde das Feld. „Deutschland wird von Trumps fremdenfeindlicher Politik nur dann profitieren können, wenn es sich hin zu einer offeneren Gesellschaft wandelt. Das erfordert viel mehr als ein Einwanderungsgesetz“, resümiert Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.
„Deutschland wird nur profitieren, wenn es sich hin zu einer offeneren Gesellschaft wandelt“