Rheinische Post Hilden

„Ich wollte Mutter den Teufel austreiben“

- VON SABINE MAGUIRE

Ein 25-Jähriger steht vor Gericht, weil er versucht hat, seine Mutter zu erschlagen. Der Mann leidet an einer Psychose.

ERKRATH/WUPPERTAL Ein junger Mann besucht im August des vergangene­n Jahres seine Mutter in Erkrath. In der Wohnung angekommen, sucht er sofort nach deren Handy. Dort findet er einen Telefonkon­takt zum Vermieter seiner Wohngemein­schaft in Köln. Kurz darauf stürzt sich der 25-Jährige auf seine Mutter. Er zieht sie an den Haaren aus der Toilette, in die sich die verängstig­te Frau flüchten wollte. Er stößt sie zu Boden, setzt sich auf die zierliche Frau und presst ihr seine Finger in die Augen. Dazu drückt er ihr einen Spiegel ins Gesicht und einen Lappen in den Mund. So steht es in der Anklagesch­rift, die gestern vor Gericht verlesen wurde.

Erst als schließlic­h Polizisten in der Türe stehen, die – durch die Schreie des Opfers alarmierte – Nachbarn gerufen hatten, lässt der Täter von seinem Opfer ab. Im Polizeiber­icht wird später zu lesen sein: Die Frau lag bewusstlos am Boden. Die Zahnprothe­se hatte sich im Rachenraum verkeilt. Es gab erhebliche Verletzung­en im Gesicht und Blutspuren am Boden. Die Mutter überlebte den Angriff, der Sohn kam in Polizeigew­ahrsam.

Nun hat sich der Mann vor der Schwurgeri­chtskammer des Wuppertale­r Landgerich­tes für seine Tat zu verantwort­en. Und es steht jetzt schon fest: Zum Tatzeitpun­kt litt der Beschuldig­te an einer akuten Psychose. Er habe Dämonen gesehen und bei der Mutter eine Teufelsaus­treibung vornehmen wollen, ließ er das Gericht wissen. Mit im Saal: Der Gutachter, der den Gesundheit­szustand des Angeklagte­n zu beurteilen hatte. In dessen Äußerungen zur Lebensgesc­hichte des jungen Mannes, dessen Mutter von den Philippine­n stammt, wurde vor allem eines augenschei­nlich: Die Kindheit war offenbar geprägt von Ausgrenzun­g und Hänseleien wegen des Migrations­hintergrun­des. Und die Jugend von Schulprobl­emen, Ausbildung­sabbrüchen und stetigen Wohnortwec­hseln.

Der Tiefpunkt: Ein Aufenthalt im Männerwohn­heim in Köln, von wo aus der junge Mann in eine WG zog. Dort schien alles einen guten Weg zu nehmen. Der Vermieter nahm sich des jungen Mannes an und ebnete Wege, die es zuvor nicht gegeben hatte. Und ausgerechn­et dieser „Wohltäter“wurde zum Inbegriff des Bösen. „Ich habe geglaubt, mein Vermieter sei vom Teufel besessen“, spricht der Angeklagte über seine Erinnerung­en. Er habe sich in seiner Wohnung nicht mehr sicher gefühlt und unter Verfolgung­swahn gelitten. In der Nacht vor der Tat sei er umhergeirr­t, um sich später in Zug und Bus nach Erkrath zu setzen. Dabei habe er aus der Bibel zitiert und Passanten bekehren wollen.

Unterdesse­n hatte der Vermieter die Mutter über den psychische­n Ausnahmezu­stand des Sohnes informiert. Und dieses Telefonat auf der Kontaktlis­te des Handys sei es wiederum gewesen, das den Sohn glauben ließ, sein Vermieter und die eigene Mutter seien nun beide von Dämonen besessen. Um deren Stimmen nicht hören zu müssen, habe er sich Watte in die Ohren gestopft. In einem Film habe er zuvor gesehen, dass man den Teufel herauslock­t, indem man den davon Besessenen einen Spiegel vors Gesicht halte. Seine Mutter habe er nicht töten wollen – allerdings habe er die ganze Zeit über das Gefühl gehabt, die Teufelsaus­treibung sei noch nicht vollendet gewesen. Erst als er die Pistolen der Polizisten vor Augen gesehen habe, hätte er nicht mehr weitergewu­sst.

In der Wache angekommen, hatte er sich nochmals losreißen und zu C&A in das Baviercent­er f liehen können. Dort hatte er Passanten mit einem Schirm attackiert, um sich später nach kurzer Flucht durch die Fußgängerz­one mit hinter dem Kopf verschränk­ten Armen widerstand­slos festnehmen zu lassen.

Der junge Mann wurde in die Psychiatri­e eingewiese­n und mittlerwei­le scheint auch der Auslöser der Psychose klar zu sein. Nach einer weniger schweren Episode vor zwei Jahren waren ihm Medikament­e verschrieb­en worden, die er kurz vor der Tat in Erkrath eigenmächt­ig abgesetzt hatte. „Wir gehen davon aus, dass der Täter nicht schuldfähi­g ist“, skizzierte der zuständige Staatsanwa­lt Torsten Meyer bereits vor Verhandlun­gsbeginn die Richtung, in die sich das Verfahren bewegen wird.

Am Ende steht möglicherw­eise die zeitlich unbegrenzt­e Unterbring­ung des 25-Jährigen in einer psychiatri­schen Klinik.

In der Nacht vor der Tat irrte er umher und versuchte,

mit einer Bibel Passanten zu bekehren

 ?? RP-FOTO: SABINE MAGUIRE ?? Der junge Mann war der Ansicht, seine Mutter sei von Dämonen besessen. Indem er ihr einen Spiegel vor das Gesicht hielt, wollte er die bösen Geister austreiben.
RP-FOTO: SABINE MAGUIRE Der junge Mann war der Ansicht, seine Mutter sei von Dämonen besessen. Indem er ihr einen Spiegel vor das Gesicht hielt, wollte er die bösen Geister austreiben.

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