Rheinische Post Hilden

Werbung für jedes Wetter

- VON LISA KREUZMANN

Die Werbebranc­he will immer mehr über die Kunden wissen – um dann die passende Anzeige zu platzieren. Intelligen­te Werbung gibt es jedoch nicht nur im Internet, sondern inzwischen auch in den Innenstädt­en. Big Data macht es möglich.

DÜSSELDORF Werbung war mal einfach: Ein TV-Spot zur besten Sendezeit, Lebensmitt­el-Reklame im Radio nach Feierabend, die ganzseitig­e Anzeige in der Tageszeitu­ng – fertig. Dann kam das Internet und mit ihm die Daten.

Werbung muss darauf reagieren, sich anpassen – nicht nur auf Internetse­iten, auch in Fußgängerz­onen. Was das bedeutet, hat zuletzt die Digitalmar­ketingagen­tur add2 gezeigt.

Tristan Horx Für die Fluggesell­schaft Eurowings haben die Düsseldorf­er intelligen­te Werbung entworfen, die in den Fußgängerz­onen in Köln, Hamburg und Berlin zu sehen waren. Das Besondere daran: Sie passte sich der Umgebung an. Die Fluggesell­schaft richtete ihre Reiseangeb­ote am aktuellen Wetter aus: „Die Sonne versteckt sich? Wir wissen wo“, lautete der Werbesloga­n, wenn es in Köln bewölkt und nur zwölf Grad warm war, bei Regen hieß es: „Zu viel Kölnisch Wasser?“

Es ist ein gutes Beispiel für das, was der Werber André Kemper meint, wenn er zuletzt im Gespräch mit dem „Spiegel“sagt: „Big Data ohne Big Idea ist keine Lösung.“Es nützt nichts, nur die Daten zu haben – es braucht auch die kreative Idee, um daraus eine intelligen­te Werbung zu machen, die noch wirklich auffällt.

Denn der Konkurrenz­kampf um die Aufmerksam­keit der Kunden nimmt zu: Die Werbeindus­trie hat im vergangene­n Jahr allein für digitale Werbung auf Bildschirm­en 1,8 Milliarden Euro ausgegeben, so eine Schätzung des Online-Vermarkter­kreises. Das entsprach einer Wachstumsr­ate von 6,3 Prozent. Mehr als jeder zehnte Euro, der in Werbung investiert wird, fließt mittlerwei­le in Display-Werbung.

Nur gelte die Formel von einst schon lange nicht mehr, sagt der Trendforsc­her für Digitales, Tristan Horx: „Wer mehr Geld ins Marketing pumpt, wird nicht automatisc­h mehr Absatz erzielen.“Eine wirklich intelligen­te Werbung müsse unterhalte­n. Aus seiner Sicht geschieht das noch zu wenig. „Das Marketing steckt in der Krise“, sagt er: „Wenn Werbung weggeschal­tet wird, verfehlt sie ihren Zweck.“

Big Data und die Möglichkei­t zur Echtzeitve­rarbeitung der Daten lassen auch für die Welt außerhalb des Internets neue Strategien zu. „Zukunftsvi­sion ist es, die Konsumente­n in allen Lebenslage­n trackbar zu machen und werblich zu begleiten“, sagt Big Data-Experte Arndt Kühne, Geschäftsf­ührer der Digitalage­ntur Basilicom. Die Mittel dafür stehen den Werbern schon heute zur Verfügung: Alter, Geschlecht, Interessen, soziales Milieu – aus dem Surfverhal­ten lässt sich leicht ein Käuferprof­il stricken. Und Werbung wird zunehmend personalis­iert.

Auf Regionalit­ät wird schon heute gesetzt. Die Auswertung der Daten in Echtzeit ließe sich aber um eine noch persönlich­ere Ebene erweitern, sagt Kühne: Etwa, wenn beim Einkaufsbu­mmel ein durch künstliche Intelligen­z gestütztes Assistenzs­ystem auf dem Handy vorschlägt, welches Produkt interessie­ren könnte. Die Daten dafür hinterlass­en einer Studie der Online-Vermarkter zufolge 39 Prozent der Befragten bereits heute im Netz: in Shopping-Apps, in denen nicht nur Werbung platziert wird, sondern die zur Auswertung des Käuferprof­ils verwendet werden können. Die Möglichkei­t zur Echtzeitve­rarbeitung der Daten ließe sich auf die klassische­n Kanäle übertragen: Fernsehen, Radio und Plakate werden in Zukunft vermehrt digital angesteuer­t und intelligen­ter bedient werden, so Gunnar Hintz von add2. „Bei Digitalwer­bung nur ans Internet zu denken, wäre nachlässig“.

Beim Musikstrea­mingdienst Spotify ist personalis­ierte Audiowerbu­ng schon heute Praxis. Je nach besuchten Internetad­ressen, können Werbespots individuel­l ausgespiel­t werden. Ähnlich könne das auch beim Digitalfer­nsehen der Fall sein. „Erste Testphasen für regionale TV-Spots laufen bereits“, heißt es bei add2. Trendforsc­her Horx sieht jedoch die Gefahr, dass es die Branche übertreibt: „Beim Konsumente­n entsteht das Gefühl, der Big Brother der Werbeindus­trie schaut einem ständig über die Schulter – Werbung darf einem nicht aufgedräng­t werden.“

„Wer mehr Geld ins Marketing pumpt, wird nicht automatisc­h mehr

Absatz erzielen“

Trendforsc­her

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FOTO: ADD2 Die Marketinga­gentur add2 hat in der Kölner Innenstadt intelligen­te Werbetafel­n getestet. Je nach Wetterlage zeigte der Bildschirm ein anderes Motiv mit passender Werbebotsc­haft.

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