Spielebranche setzt auf Gegentrend zum Digitalgeschäft
NÜRNBERG Die Spielehersteller haben in den vergangenen Jahren vor allem auf den Ausbau ihres Digitalgeschäfts Wert gelegt. Spieleklassiker wurden in Digitalversionen umgesetzt, Brettspiele mit Apps verbunden und neue Spiele bestenfalls gleich crossmedial angelegt, damit die Spieler auch auf Smartphone, Tablet oder via Audio-Impulsen am Erlebnis teilhaben konnten. Die neuen Medien sollten die junge Spieler-Generation in ihrer gelernten Umgebung abholen und wieder zurück an die Spieltische bringen – so das Kalkül.
Dass die Branche mit dieser Strategie gut fährt, belegt das Beispiel Ravensburger. Der Spielegigant legte zum heutigen Beginn der Spielemesse in Nürnberg Zahlen vor, die aufhorchen lassen. Der digitale Lernstift Tiptoi, mit dem Kinder Audio-Informationen aus Büchern abrufen können, hat den Umsatz des Spieleherstellers im vergangenen Jahr in die Höhe getrieben. Die Erlöse stiegen nach vorläufigen Zahlen im Vergleich zu 2015 um 6,9 Prozent auf 474,5 Millionen Euro.
Der digitale Stress und der Mangel an Bewegung verlangen aber auch nach Ausgleich. Deshalb setzt die Branche bei ihren Neuerungen in diesem Jahr auf den Gegentrend. „Body and Mind“(dt. Körper und Geist) nennen die Spieleprofis das Segment, dem sie 2017 besondere Aufmerksamkeit widmen wollen. Dazu gehören unter anderem eine Balancier-Rolle mit Gummireifen und ein elektrisches Skateboard, bei dem sich die Standfläche von selbst bewegt – Geräte, um Motorik und Koordination zu trainieren. Außerdem gibt es neue Yoga-Spiele, die zu Gymnastik im Kinderzimmer anregen, und Malbücher, die Kindern dabei helfen sollen, sich zu entspannen.
Wie wichtig „Body and Mind“für den Spiele-Markt ist, lässt sich kaum abschätzen. Das Sortiment auf konkrete Absatz- und Umsatzzahlen zu beziehen, sei schwierig, sagt Willy Fischel, Geschäftsführer des Bundesverbands des Spielwaren-Einzelhandels (BVS). „Body and Mind“sei aber ein Thema, dessen Potenzial in der Zukunft liege.
Auch der Playmobil-Hersteller Brandstätter setzt auf eine Stärkung seines Analoggeschäfts. Das Unternehmen kündigte vor dem Messebeginn an, bei seiner Playmobil-Serie künftig vermehrt auf Spielfiguren zu setzen, die Kindern aus Film und Fernsehen bekannt sind. So sollen unter anderem Charaktere aus der Filmserie „Drachenzähmen leicht gemacht“und aus der Science-Fiction-Komödie „Ghostbusters“Einzug in die Kinderzimmer halten – und für einen weiteren Umsatzschub sorgen, wie ein Firmensprecher erläuterte. Schon im Jahr 2016 Jahr hatte die BrandstätterUnternehmensgruppe kräftig zugelegt. Der Gruppenumsatz stieg um zehn Prozent auf 671 Millionen Euro.
Das Unternehmen folgt mit dem Ausbau seines Lizenzgeschäfts einem Trend, den bereits vor Jahren Lego und andere große Spielwarenhersteller eingeschlagen haben. Vielen Kindern sei wichtig, die in Filmen und TV-Serien gezeigten Abenteuer nachzuspielen, Brandstätter mit.
Die wiederentdeckte Vorliebe für analoges Spielzeug bedeutet allerdings keine vollständige Trendwende. Nachdem die Spieleapp „Pokémon Go“im vergangenen Sommer Millionen Menschen auf die Straßen gebracht hat, gibt es auch in diesem Jahr Neuerungen, die die Spieler mit einer Verquickung von Technik und Bewegung begeistern sollen. So präsentiert der Spieleentwickler Daigo zum Beispiel eine neue App, die über Sensoren in Armbändern Bewegungen in Beats umwandelt – der Körper soll so zu einem Musikinstrument werden.
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