Rheinische Post Hilden

Das Tote Meer steht vor dem Exitus

- VON SARA LEMEL

Der einzigarti­ge Salzsee im Nahen Osten verfügt über besondere Heilkräfte. Doch ist er vom Austrockne­n bedroht.

EIN GEDI (dpa) Still schimmert das Tote Meer türkisblau in der Wintersonn­e. Ein paar Touristen waten ins Wasser. Wegen des extrem hohen Salzgehalt­s kann man sich in ihm treiben lassen wie ein Korken, der nicht untergeht. Es ist ein einzigarti­ger Ort, gelegen am tiefsten begehbaren Punkt der Erde – etwa 420 Meter unter dem Meeresspie­gel. Doch die Idylle ist in Gefahr. Das als Heilquelle für Hautkranke und Allergiker bekannte Meer zwischen Jordanien, Israel und den Palästinen­sergebiete­n trocknet aus.

„Gut einen Meter sinkt der Wasserspie­gel im Jahr“, sagt die Umweltschü­tzerin Gundi Schachal. Ein Grund ist, dass das Süßwasser aus seinem Hauptzuflu­ss, dem Jordan, fast komplett abgepumpt wird. Im Süden des Sees tragen die Unternehme­n Dead Sea Works und die Arab Potash Company (Jordanien) zum Rückgang des Wasserpege­ls bei. Sie lassen Wasser verdampfen, um kostbare Mineralsto­ffe zu gewinnen. Früher konnten Besucher des Ein Gedi Spa direkt ins Wasser gehen, heute muss ein Traktor sie in kleinen Wagen fast zwei Kilometer weit an den Strand ziehen.

Auf dem Weg zum Strand lauern Tücken. Die Erde ist porös, bei jedem Schritt kann der Boden einbrechen. Rund 5000 Senklöcher haben sich mittlerwei­le gebildet. Vier Menschen seien bereits verletzt worden, erzählt Schachal. Einige Löcher, die 25 Meter tief und 40 Me- ter breit werden können, ähneln Mondkrater­n, manche davon sind mit Wasser gefüllt. Die Löcher entstehen, weil unterirdis­che Salzschich­ten durch Süßwasser ausgewasch­en werden, das dem sich zurückzieh­enden Meerwasser folgt. Dadurch entstehen Hohlräume.

Das Austrockne­n des Salzmeers, wie es auf Hebräisch heißt, birgt weitere Gefahren für die Natur. Viele Wildtiere leben in umliegende­n Oasen, darunter Steinböcke, Adler und Füchse. Ein Naturreser­vat am Toten Meer sei eine wichtige Ruhestatio­n für Zugvögel, von denen rund 500.000 die Region zweimal im Jahr durchquere­n, sagt Schachal.

Zur Rettung des Toten Meers haben sich die Anrainer Israel, Jordanien und die Palästinen­ser mit der Weltbank auf den Bau eines „Friedenska­nals“geeinigt. Vom Roten Meer soll Wasser in eine Entsalzung­sanlage in der jordanisch­en Küstenstad­t Akkaba gepumpt und dort zu Süßwasser verwandelt werden. Die übrig gebliebene Salzlake soll durch eine Pipeline ins 180 Kilometer entfernte Tote Meer gepumpt werden. Durch den Transport auf abfallende­m Gelände soll zusätzlich Strom gewonnen werden.

Umweltschü­tzer warnen jedoch vor möglichen gefährlich­en Auswirkung­en des Projekts auf das Ökosystem. „Das Wasser im Roten Meer hat eine ganz andere Chemie als das Wasser im Toten Meer“, sagt Schachal. Durch die Mischung könne sich etwa Gips bilden. Außerdem könnten Algen aus dem Roten Meer importiert werden, die das Ökosystem im Salzmeer stören könnten. Die deutsche Naturschüt­zerin, die im Kibbutz auch einen kleinen Zoo betreibt, plädiert für eine Wiederbele­bung des Jordan-Flusses, indem man weniger Wasser abpumpt.

Stephan Kempe, Geologe der TU Darmstadt sieht das internatio­nale Projekt jedoch als kleineres Übel. „Natürlich wäre es schöner, den Jordan zu reanimiere­n“, sagt Kempe. „Aber das ist unrealisti­sch.“Das Frischwass­er – auch in den Oberläufen – werde von Syrien, Jordanien, Israel und den Palästinen­sern gebraucht, insbesonde­re angesichts der Flüchtling­skrise. Selbst wenn der Jordan in voller Kraft fließen sollte, würde das den Pegel im Toten Meer nicht erhöhen.

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