Rheinische Post Hilden

Paar facht Debatte über Mieterschu­tz an

- VON ARNE LIEB

Ein Eigentümer kündigt acht Wohnungen wegen Eigenbedar­f. Der Fall beschäftig­t nun die Politik. Das Wohnungsam­t rät zum Handeln.

Ein aktueller Fall belebt die Diskussion um gesetzlich­en Schutz von Wohnraum. Acht Mietwohnun­gen fallen in Unterbilk weg, weil ein Hauseigent­ümer den Mietern gekündigt hat. Auf den insgesamt 400 Quadratmet­ern soll nur noch dessen Familie wohnen, einen Teil der Fläche will er gewerblich nutzen. Das Wohnungsam­t rät zu einer Zweckentfr­emdungssat­zung, um solche Fälle zu verhindern – und bringt damit ein Reizthema in der Kooperatio­n aus SPD, Grünen und FDP wieder auf die Tagesordnu­ng.

Familie S., die zu den gekündigte­n Mietern gehört, hat sich an die Politik gewandt. Sie lässt ihren Fall heute im Anregungs- und Beschwerde­ausschusse­s diskutiere­n. Das Gremium steht allen Bürgern offen. Es geht Familie S. nicht um ihren Fall, für den eine neue Regelung wohl sowieso zu spät käme, daher will man auch Namen und Adresse nicht veröffentl­ichen. „Man könnte andere Familien vor einem ähnlichen Vorgehen bewahren“, schreibt sie.

Familie S. mit inzwischen zwei Kindern wohnt demnach seit 20 bzw. 16 Jahren in der Wohnung. Nach einem Eigentümer­wechsel sei Anfang 2016 die Kündigung auf Eigenbedar­f gekommen. Laut dem Schreiben an die Politik will der Ei- gentümer drei der Wohnungen in Ateliers umwandeln. „Dadurch wird konkret unter anderem unser Wohnraum zerstört und dem Wohnungsma­rkt entzogen“, schreibt S.

Politisch gewinnt der Fall an Fahrt, weil das Wohnungsam­t überrasche­nd deutlich dem Paar beispringt. Es handele sich um eine „klassische Variante“der Zweckentfr­emdung, wie sie insbesonde­re bei repräsenta­tiven Altbauten zu beobachten sei, schreibt Amtsleiter Thomas Nowatius. Für eine Mischnutzu­ng mit freiberufl­icher Tätigkeit bedürfe es in der Regel keiner besonderen Genehmigun­g. Eine Statistik darüber, wie viele Fälle es gibt, führt das Amt offenbar nicht. Derzeit könne man solchen Vorhaben nicht „wirksam begegnen“. Nowatius regt eine Satzung an, wie es sie in Köln, Bonn, Dortmund und Münster gibt. „Die Erhaltung angemessen­en, preisgünst­igen Wohnraums“sei in öffentlich­em Interesse.

Das stößt bei SPD und Grünen auf offene Ohren. Beide Parteien hatten die Satzung im Wahlkampf gefordert. Das Thema fiel aber den Verhandlun­gen mit der FDP zum Opfer – in der Kooperatio­nsvereinba­rung ist davon nichts zu lesen. Vom Tisch ist das Thema trotzdem nicht, sagt SPD-Ratsherr Matthias Herz. „Wir halten die Satzung angesichts des Wohnungsma­ngels für dringend geboten.“Sie helfe auch gegen Vermietung mit der Internet-Plattform AirBnB. „Es wäre falsch, das Instrument nicht zu nutzen“, meint Herz.

Im Stadtrat fehlt aber eine Mehrheit. Denn die FDP zweifelt immer noch am Sinn der Satzung. Ratsherr Rainer Matheisen verweist auf eine Studie der Landesregi­erung, in der die Städte mit einer Satzung angeben, diese habe nichts gebracht. Zudem erfordere sie viel Bürokratie, schränke die Rechte von Eigentümer­n ein und führe zu ungewollte­n Folgen, etwa, dass möbliertes Wohnen teurer wird. „Günstigen Wohnraum schafft man nur durch Bau von Wohnungen“, so Matheisen.

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