Alles, was der Waidmann braucht
Schussfeste Hunde-Westen, Laserwaffen und warme Socken gibt es bei der Messe „ Jagd und Hund“zu sehen. Besucher erfahren zudem viel über den Wald, wo die Brunft noch ohne Tinder funktioniert.
DORTMUND Das Schöne an der Messe „Jagd und Hund“in Dortmund: Dort kann, wenn er denn mag, auch der Laie auf die Pirsch gehen und, um im Jargon zu bleiben, eine beachtliche und gänzlich un-jagdliche Strecke hinlegen: Freizeitkleidung, flotte Wohnaccessoires wie Kissen und Decken, geziert mit Hirschgeweih und Sau-Kopf, Salami von der Ente, Schinken vom Hirsch, Käse – alles da.
Sollte der Gast das Vorurteil gegen Jäger haben, das seien grün gekleidete, körperlich oft stark präsente
Der Dress-Code der Besucher: grüne Jacken, abgewetzte Hosen, Hirschhorn-Knöpfe
Herren vorgerückten Alters mit viel grauem Haar im Gesicht, findet er das bestätigt: Aus irgendeinem Grund scheinen die Herren des Waldes den Drang zu haben, beim Besuch dieser Veranstaltung einem Dress-Code zu folgen – grüne Jacken, abgewetzte Hosen, grüne Hüte, Knöpfe aus Hirschhorn, karierte Hemden, gerne ein Rucksack auf dem Rücken und deftige Stiefel an den Füßen. Die Damen, nach wie vor in der Minderheit, bevorzugen Loden und fein gegerbtes Leder, mögen offenbar Schmuck aus Bernstein und schätzen Blusen aus Spitze, reich bestickt. Eine für die meisten Menschen eher exotische Optik, damit jedoch Teil des bunten Gesamtbildes dieses seit Jahren wachsenden Events, dessen Angebot über ein halbes Dutzend Hallen füllt. Präsentiert wird alles, was besonders der Waidmann vor, bei und nach der Jagd braucht oder zu brauchen meint, aber was naturnahe Menschen ebenfalls schön finden.
Kleidung für draußen bei arktischen Temperaturen beispielsweise. Socken in atemberaubenden Formaten werden angeboten, einige per Batterie beheizt, und lammfellgefütterte Hosen aus schwerem Leder oder in leichtem Fleece, mit Taschen an allen Seiten, Nierenschutz und Hosenträgern. Der Ansitzsack sieht so aus, wie sein Name sich anhört, mit dem Transport irgendwelcher Dinge hat er nichts zu tun. Ebenso wenig wie die Kotze aus dichtem Tuch eine Folge fiesen Essens, sondern nur ein sehr praktisches Kleidungsstück bei Schnee und Regen ist. Felle anzubieten, zu Weste, Hose, Mütze oder Decke verarbeitet – auf dieser Messe ist es keinesfalls anrüchig, sondern normal, denn der Mehrheit der umherflanierenden Frauen und Männern ist das vertraut, weil diese Produkte nicht aus Tierfarmen, sondern aus dem Wald kommen. Riesig sind die Stände der Hersteller von Jagdwaffen, Namen wie Blaser oder Beretta sind wie Mercedes und Audi auf einer Automobilausstellung, und die Firma Merkel – nicht verwandt oder verschwägert mit der Kanzlerin – hatte bei Büchsen und Flinten schon eine führende Funktion, als Angie noch in der Uckermark lebte.
Hightech spielt mehr denn je eine zentrale Rolle: Zum ungefährlichen Üben dienen Waffen, aus deren Lauf keine Projektile, sondern Laserstrahlen kommen, Hunden werden GPS-Peilsender umgeschnallt, um sie bei der Jagd im Wald jederzeit orten zu können. „Bewegt sich das Signal nicht mehr, ist der Hund vielleicht gerade von einem Wolfrudel umringt worden“, witzelt Verkäufer Peter S., der – wie alle anderen – seinen Namen nicht lesen möchte, weil er Anfeindungen von Jagdgegnern fürchtet. Sollte das Tier mit einer der neuartigen Schutzwesten aus leichtem, aber biss- und stoßfestem Kunststoff ausgestattet sein, wird er das Treffen mit seinen entfernten Verwandten vermutlich überstehen. In der Version für Polizeihunde sind diese Pelerinen sogar schussfest, beteuert der Hersteller Roland P. aus Fulda. Das Polizeimodell ist tiefschwarz, das für den Jagdhund leuchtend orange – so gewandet, wird er nicht aus Versehen für ein Wildschwein oder Reh gehalten und beschossen.
In diesem Orange bietet Markus N. (48) nebenan alles an, was man braucht, wenn man beim Pirschgang erfolgreich war: Messer, Beile, Zangen, Seile, Gurte. Die Farbe hat auch bei ihm nichts mit Ästhetik zu tun, sondern ist schlicht praktisch: Wer einmal so ein Werkzeug im dämmrigen Wald verloren hat, der weiß Leuchtkraft zu schätzen. Da ist das sonst so beliebte Grün eher hinderlich. Apropos: „Wir sind die wahren Grünen!“ist Leitspruch vieler Jäger, und auch auf der Messe beweist man das. An mehreren Ständen lernt der Besucher viel über den Wald und seine Tiere und Pflanzen. Vor allem junge Leute will man neugierig machen und zeigen, wie spannend das Leben da draußen funktioniert – weit weg von Apps und Instagram, wo die Brunft ohne Tinder funktioniert und Tiere kein Futter aus der Dose kriegen. Greifvögel auf dem Arm ihrer Falkner (lebend!) sind zu sehen, und keiner, der diese Vögel live beobachtet, kann sich ihrer Faszination entziehen. Ihr Blick, ihre Krallen und ihr Schnabel zeigen, dass sie perfekte und tödliche Jäger der Lüfte sind – sie fressen keine Körner, sondern sie fressen Körnerfresser.
Kurios dagegen der Wettkampf der Hirschrufer (morgen, 12 Uhr). Gestandene Männer imitieren die Brunftschreie des größten Wildes im deutschen Wald. Und sie tun das mit Klangkörpern ihrer Wahl, es wurden auch schon Abflussrohre oder Siphons gesichtet – oder gehört. Das Ergebnis klingt wirklich so wie draußen im Wald. Jedenfalls spitzen die zahlreichen Hunde in den Hallen die Ohren, wenn das tief brummende oder grölende Getöse losgeht. Dackel, Terrier, Münsterländer, Weimaraner, Deutsch Kurzhaar oder der unfassbar naseweise Bayrische Gebirgsschweißhund – sie alle traben an der Seite ihrer Besitzer durch die Gänge, denn die Messe ist auch ein Treffen der Züchter und ihrer Rasseverbände.