Rheinische Post Hilden

Alles, was der Waidmann braucht

- VON HANS ONKELBACH

Schussfest­e Hunde-Westen, Laserwaffe­n und warme Socken gibt es bei der Messe „ Jagd und Hund“zu sehen. Besucher erfahren zudem viel über den Wald, wo die Brunft noch ohne Tinder funktionie­rt.

DORTMUND Das Schöne an der Messe „Jagd und Hund“in Dortmund: Dort kann, wenn er denn mag, auch der Laie auf die Pirsch gehen und, um im Jargon zu bleiben, eine beachtlich­e und gänzlich un-jagdliche Strecke hinlegen: Freizeitkl­eidung, flotte Wohnaccess­oires wie Kissen und Decken, geziert mit Hirschgewe­ih und Sau-Kopf, Salami von der Ente, Schinken vom Hirsch, Käse – alles da.

Sollte der Gast das Vorurteil gegen Jäger haben, das seien grün gekleidete, körperlich oft stark präsente

Der Dress-Code der Besucher: grüne Jacken, abgewetzte Hosen, Hirschhorn-Knöpfe

Herren vorgerückt­en Alters mit viel grauem Haar im Gesicht, findet er das bestätigt: Aus irgendeine­m Grund scheinen die Herren des Waldes den Drang zu haben, beim Besuch dieser Veranstalt­ung einem Dress-Code zu folgen – grüne Jacken, abgewetzte Hosen, grüne Hüte, Knöpfe aus Hirschhorn, karierte Hemden, gerne ein Rucksack auf dem Rücken und deftige Stiefel an den Füßen. Die Damen, nach wie vor in der Minderheit, bevorzugen Loden und fein gegerbtes Leder, mögen offenbar Schmuck aus Bernstein und schätzen Blusen aus Spitze, reich bestickt. Eine für die meisten Menschen eher exotische Optik, damit jedoch Teil des bunten Gesamtbild­es dieses seit Jahren wachsenden Events, dessen Angebot über ein halbes Dutzend Hallen füllt. Präsentier­t wird alles, was besonders der Waidmann vor, bei und nach der Jagd braucht oder zu brauchen meint, aber was naturnahe Menschen ebenfalls schön finden.

Kleidung für draußen bei arktischen Temperatur­en beispielsw­eise. Socken in atemberaub­enden Formaten werden angeboten, einige per Batterie beheizt, und lammfellge­fütterte Hosen aus schwerem Leder oder in leichtem Fleece, mit Taschen an allen Seiten, Nierenschu­tz und Hosenträge­rn. Der Ansitzsack sieht so aus, wie sein Name sich anhört, mit dem Transport irgendwelc­her Dinge hat er nichts zu tun. Ebenso wenig wie die Kotze aus dichtem Tuch eine Folge fiesen Essens, sondern nur ein sehr praktische­s Kleidungss­tück bei Schnee und Regen ist. Felle anzubieten, zu Weste, Hose, Mütze oder Decke verarbeite­t – auf dieser Messe ist es keinesfall­s anrüchig, sondern normal, denn der Mehrheit der umherflani­erenden Frauen und Männern ist das vertraut, weil diese Produkte nicht aus Tierfarmen, sondern aus dem Wald kommen. Riesig sind die Stände der Hersteller von Jagdwaffen, Namen wie Blaser oder Beretta sind wie Mercedes und Audi auf einer Automobila­usstellung, und die Firma Merkel – nicht verwandt oder verschwäge­rt mit der Kanzlerin – hatte bei Büchsen und Flinten schon eine führende Funktion, als Angie noch in der Uckermark lebte.

Hightech spielt mehr denn je eine zentrale Rolle: Zum ungefährli­chen Üben dienen Waffen, aus deren Lauf keine Projektile, sondern Laserstrah­len kommen, Hunden werden GPS-Peilsender umgeschnal­lt, um sie bei der Jagd im Wald jederzeit orten zu können. „Bewegt sich das Signal nicht mehr, ist der Hund vielleicht gerade von einem Wolfrudel umringt worden“, witzelt Verkäufer Peter S., der – wie alle anderen – seinen Namen nicht lesen möchte, weil er Anfeindung­en von Jagdgegner­n fürchtet. Sollte das Tier mit einer der neuartigen Schutzwest­en aus leichtem, aber biss- und stoßfestem Kunststoff ausgestatt­et sein, wird er das Treffen mit seinen entfernten Verwandten vermutlich überstehen. In der Version für Polizeihun­de sind diese Pelerinen sogar schussfest, beteuert der Hersteller Roland P. aus Fulda. Das Polizeimod­ell ist tiefschwar­z, das für den Jagdhund leuchtend orange – so gewandet, wird er nicht aus Versehen für ein Wildschwei­n oder Reh gehalten und beschossen.

In diesem Orange bietet Markus N. (48) nebenan alles an, was man braucht, wenn man beim Pirschgang erfolgreic­h war: Messer, Beile, Zangen, Seile, Gurte. Die Farbe hat auch bei ihm nichts mit Ästhetik zu tun, sondern ist schlicht praktisch: Wer einmal so ein Werkzeug im dämmrigen Wald verloren hat, der weiß Leuchtkraf­t zu schätzen. Da ist das sonst so beliebte Grün eher hinderlich. Apropos: „Wir sind die wahren Grünen!“ist Leitspruch vieler Jäger, und auch auf der Messe beweist man das. An mehreren Ständen lernt der Besucher viel über den Wald und seine Tiere und Pflanzen. Vor allem junge Leute will man neugierig machen und zeigen, wie spannend das Leben da draußen funktionie­rt – weit weg von Apps und Instagram, wo die Brunft ohne Tinder funktionie­rt und Tiere kein Futter aus der Dose kriegen. Greifvögel auf dem Arm ihrer Falkner (lebend!) sind zu sehen, und keiner, der diese Vögel live beobachtet, kann sich ihrer Faszinatio­n entziehen. Ihr Blick, ihre Krallen und ihr Schnabel zeigen, dass sie perfekte und tödliche Jäger der Lüfte sind – sie fressen keine Körner, sondern sie fressen Körnerfres­ser.

Kurios dagegen der Wettkampf der Hirschrufe­r (morgen, 12 Uhr). Gestandene Männer imitieren die Brunftschr­eie des größten Wildes im deutschen Wald. Und sie tun das mit Klangkörpe­rn ihrer Wahl, es wurden auch schon Abflussroh­re oder Siphons gesichtet – oder gehört. Das Ergebnis klingt wirklich so wie draußen im Wald. Jedenfalls spitzen die zahlreiche­n Hunde in den Hallen die Ohren, wenn das tief brummende oder grölende Getöse losgeht. Dackel, Terrier, Münsterlän­der, Weimaraner, Deutsch Kurzhaar oder der unfassbar naseweise Bayrische Gebirgssch­weißhund – sie alle traben an der Seite ihrer Besitzer durch die Gänge, denn die Messe ist auch ein Treffen der Züchter und ihrer Rasseverbä­nde.

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FOTO: DPA Hol das Hütchen! – hier Deutsch Drahthaar „Unka von der Wenge“. Die Messe ist auch ein Treffen der Jagdhund-Züchter und ihrer Rasseverbä­nde.

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