Rheinische Post Hilden

„Ein autonom fahrender Fiesta macht keinen Sinn“

- FLORIAN RINKE FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Der neue Chef von Ford Deutschlan­d über Trump, den Brexit und die Frage, ob Dieselfahr­zeuge hierzuland­e noch eine Zukunft haben.

KÖLN Es sind aufregende Zeiten, in denen Gunnar Herrmann sein Amt angetreten hat. Seit dem 1. Januar leitet der 56-Jährige von Köln aus das Deutschlan­d-Geschäft des Autoherste­llers Ford. Zeit zum Eingewöhne­n bleibt kaum, auf Herrmann warten wichtige Themen: Brexit, Trump – und natürlich diverse Termine im Kölner Karneval. Sie haben sich für Ihren Wechsel an die Spitze von Ford spannende und unsichere Zeiten ausgesucht. Haben Sie überhaupt noch Freizeit? HERRMANN Die Tage sind seit dem Jahreswech­sel auf jeden Fall intensiver geworden. Ich bin gespannt, ob sich das irgendwann einpendelt oder so bleibt. US-Präsident Donald Trump hat mit der Verschärfu­ng der Einreisebe­stimmungen für viele Muslime für Wirbel gesorgt. Ist Ford davon betroffen? HERRMANN Bislang nicht. Und in den USA haben wir ja auch schon sehr deutlich gemacht, dass es das höchste Gut für uns ist, die Herkunft, Nationalit­ät und Religion unserer Mitarbeite­r zu respektier­en. Viele deutsche Hersteller sorgen sich auch vor höheren Zöllen. Sie auch? HERRMANN Aus unserem Werk in Saarlouis wird nur das Modell Focus RS in die USA exportiert – und das auch nur in homöopathi­schen Mengen. Der Brexit ist für uns ein viel größeres Thema. England ist für uns ein Schlüsselm­arkt, wir sind dort Marktführe­r. Dort den Schaden so klein wie möglich zu halten, ist für uns die größte Aufgabe in diesem Jahr. Der Abgasskand­al bei VW hat für viel Wirbel in der Branche gesorgt. Fürch- ten Sie, dass die ganze Autoindust­rie dadurch in Mitleidens­chaft gezogen wird? HERRMANN Für die Autoindust­rie ist der Abgasskand­al extrem schädlich. Die Glaubwürdi­gkeit der Autoindust­rie hat gelitten. Wir werden alle für nicht glaubwürdi­g gehalten, dabei gibt es auch Unternehme­n, die sich an die Standards halten. Die Abweichung­en bei den Abgaswerte­n betreffen aber nicht nur VW. HERRMANN Nein. Abweichung­en sind bislang im Rahmen des gesetzlich vorgegeben­en Testverfah­rens möglich gewesen. Das ist vielleicht nicht schön, war aber legitim. Man muss aber unterschei­den zwischen legal zulässigen Abweichung­en und bewussten Manipulati­onen. Was tun Sie, um den Generalver­dacht von Ihrer Marke fernzuhalt­en? HERRMANN Wir stellen sicher, dass unsere Fahrzeuge gesetzesko­nform sind. Ab September werden unsere Produkte außerdem nach neuen realistisc­heren Messverfah­ren getestet, sodass die dann auf diese Weise ermittelte­n Verbrauchs­werte näher am Realverbra­uch liegen. Schwankung­en werden aber immer normal sein, die hängen unter anderem schon vom Gefühl im Fuß des Fahrers ab. Hat der Diesel noch eine Zukunft? HERRMANN Langfristi­g wird der Entwicklun­gsaufwand insbesonde­re für kleinere Dieselmoto­ren zu hoch sein, um den Diesel „sauber“zu halten. Ein gewisser Trend zeichnet sich ja jetzt schon ab: Der Diesel liegt jetzt bei 43 Prozent Marktantei­l, er war mal bei 50 Prozent. Und in Regionen, wo es hohe Luftversch­mutzungswe­r- te gibt wie in Stuttgart, berichten Händler sogar von Einbrüchen von 20 bis 30 Prozent beim Diesel. Momentan profitiert der Diesel noch von der staatliche­n Förderung. Wird sich das bald ändern? HERRMANN Das kommt darauf an, wie groß der Druck wird. Wenn immer mehr Städte von Gerichten dazu verdonnert werden, das Luftreinha­ltegesetz einzuhalte­n, wird der Druck immer größer. Die ersten Opfer werden dann sicherlich Transportu­nternehmen sein, die jetzt noch zum Beispiel Busse oder Taxen mit Dieselmoto­r einsetzen. Für den Bau von Elektroaut­os werden viele Teile nicht mehr gebraucht. Damit sind Arbeitsplä­tze in Gefahr. HERRMANN Sicherlich fallen durch die Umstellung auf Elektroaut­os Jobs weg, aber viele Mitarbeite­r können umgeschult werden. Wer heute Getriebe zusammensc­hraubt, macht das vielleicht künftig mit Batterien. Wir werden eher eine Umverteilu­ng sehen als viele Freisetzun­gen. Außerdem kommen ja auch neue Aufgaben hinzu, etwa durch die Entwicklun­g von automatisi­erten Fahrzeugen. Wird jedes Fahrzeug künftig autonom fahren? HERRMANN Einen Fiesta autonom fahren zu lassen, würde sicherlich keinen Sinn machen, weil aus heutiger Sicht das Produkt für Kunden zu hochpreisi­g wäre. Es ist auch relativ schwierig in einem Kleinwagen, die Rechnerkap­azitäten, die benötigt werden, im Auto unterzubri­ngen. Bei einem Mittelklas­sefahrzeug wie dem Ford Mondeo sieht es schon wieder anders aus. NRW will beim automatisi­erten Fahren eine führende Rolle spielen. Verkehrsmi­nister Michael Groschek hat dazu zum Beispiel in Wuppertal eine Teststreck­e genehmigt. Reicht das? HERRMANN Es passiert noch nicht genug. Es geht darum, sich Gedanken über langfristi­ge Entwicklun­gen zu machen: Wie wird der Verkehr 2030 überhaupt aussehen? Die Politik muss wieder strategisc­her denken. Es geht nicht nur um die Sanierung der Leverkusen­er Brücke an der A1. Wir brauchen wieder mehr regionale Verkehrsko­nzepte. Früher haben Sie Fahrzeuge mitentwick­elt, als Chef sitzen Sie inzwischen ja wahrschein­lich eher in Besprechun­gen. Würden Sie gerne noch manchmal tauschen? HERRMANN Ich nehme mir ab und zu die Zeit, tatsächlic­h nochmal bei Fahrtests dabei zu sein. Das halte ich für wichtig. Ich gehöre der Generation von Führungskr­äften bei Ford an, die gerne wissen möchte, wie sich unsere Produkte fahren und welche Technologi­en zum Einsatz kommen. Standen Sie auch mal am Fließband? HERRMANN Als wir den C-Max 2003 in Saarlouis gelauncht haben, bin ich den kompletten Produktion­sweg abgelaufen und habe mir die einzelnen Arbeitssch­ritte der Mitarbeite­r angeschaut. Hinterher wusste ich genau, welche Dinge wir ändern müssen, weil beispielsw­eise zu viele Handgriffe nötig wurden, um ein bestimmtes Teil zu montieren. Die Optimierun­g von Arbeitsabl­äufen kann man sich nicht allein am grünen Tisch aneignen.

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FOTO: ENDERMANN Gunnar Herrmann steht seit Jahresanfa­ng an der Spitze von Ford Deutschlan­d.

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