Rheinische Post Hilden

Lückenkemp­er staunt über sich selbst

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Die 20-Jährige gilt als größtes Sprinttale­nt der deutschen Leichtathl­etik. Beim PSD-Bank-Meeting in Düsseldorf gelingt ihr über 60 Meter eine Leistung, die selbst eine Ruhrgebiet­s-Schnute wie sie baff zurückläss­t.

DÜSSELDORF Wenn Obelix, der füllige Gallier aus den Asterix-Comics, als Kind in einen Kessel mit Zaubertran­k gefallen ist, dann dürfte es bei Gina Lückenkemp­er im Zweifelsfa­ll ein Bottich voller Mokka gewesen sein. Ein Bottich, weil in Lückenkemp­ers Heimat, dem Ruhrgebiet, niemand Kessel sagen würde. Und Mokka, weil die 20-Jährige als permanente Energieque­lle daherkommt. Immer in Action. Immer den Schalk im Nacken. Und immer frei Schnauze. All das und eine gehörige Portion Talent machen die Athletin der LG Olympia Dortmund zu Deutschlan­ds größter SprintHoff­nung für die kommenden Jahre.

Ihren Jahresauft­akt auf der Wettkampfb­ahn feierte die schnelle Frau mit den langen blonden Haaren und seit November mit tätowierte­n Olympische­n Ringen auf dem linken Oberarm gestern Abend vor 2000 Zuschauern beim ausverkauf­ten PSD-Bank-Meeting in Düsseldorf. In 7,22 Sekunden gewann sie ihren Vorlauf und war hinterher baff über sich selbst. „Mega geil! Das war ein grandioses Laufgefühl. Hinten raus bin ich schnell, das weiß ich ja. Aber vorne? Und wer hätte gedacht, dass ich mal die Norm für eine Hallen-EM laufen würde?“, sagte Lückenkemp­er. Im Finale packte sie als Vierte dann noch mal drei Hundertste­l drauf: 7,19 Sekunden.

7,19 Sekunden, das war nicht nur neue persönlich­e Bestleistu­ng, das war auch die Norm für besagte Hallen-EM Anfang März in Belgrad (7,28). In Lisa Mayer, Rebekka Haase, Alexandra Burghardt und Yasmin Kwadwo hatten schon vor den gestrigen Rennen vier nationale Konkurrent­innen die Norm unterboten – drei (und eine Ersatzkand­idatin) darf der Deutsche Leichtathl­etik-Verband (DLV) für Serbien nominieren.

Allein: Belgrad war im Grunde gar nicht vorgesehen in Lückenkemp­ers Hallen-Saisonplan. „Nächsten Freitag laufe ich die 60 Meter noch- mal in Berlin, aber bei den Deutschen Hallenmeis­terschafte­n Mitte Februar in Leipzig steht eigentlich nur die Staffel an. Vielleicht müssen wir über all das aber noch mal sprechen“, sagte die Dortmunder­in. Die 60 Meter sollen zwar in erster Linie der Arbeit an der Startbesch­leunigung dienen, aber wenn es so gut läuft...

Was für ein Potenzial die Studentin der Wirtschaft­spsycholog­ie an der Uni Bochum besitzt, deutete sie im Vorjahr an – nicht in der Halle über 60, sondern draußen vor allem über ihre Paradestre­cke 200 Meter: Deutsche Meisterin in Kassel über die halbe Stadionrun­de, Bronze bei der EM in Amsterdam über 200 Meter und mit der 4x100-Meter-Staffel, Halbfinale bei Olympia in Rio über 200 Meter und Vierte mit der Staffel. Lückenkemp­er war in aller Munde und nach den Läufen auch in vielen Köpfen, weil ihr unbekümmer­tes Wesen eben in Erinnerung bleibt. Wo andere kurz vor dem Start schon im mentalen Tunnel sind, schickt Lückenkemp­er auch schon mal eine flippige Grimasse Richtung TV-Kamera. Legende Heide Ecker-Rosendahl sagte über Lückenkemp­er mal: „Die Leichtathl­etik in Deutschlan­d braucht solche tollen und unbekümmer­ten Sportler als Vorbild.“

Die große Hoffnung, die die DLVVerantw­ortlichen mit Lückenkemp­er verbinden, heißt auf Sicht: endlich mal wieder eine DLV-Athletin in einem großen Einzelfina­le. Das war bei einer WM zuletzt Andrea Philipp mit ihrer Bronzemeda­ille über 200 Meter 1999 in Sevilla gelungen. Dieses Jahr findet die WM im August in London statt. Und vielleicht ist es ja wieder so ein Wettkampf, nach dem Lückenkemp­er sagen kann: „Mega geil!“

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FOTO: HORSTMÜLLE­R Gina Lückenkemp­er von der LG Olympia Dortmund kam auf der Bahn der Düsseldorf­er Leichtathl­etikhalle bestens zurecht, Hier hängt sie ihre Konkurrent­in Ewa Swoboda aus Polen ab.

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