Rheinische Post Hilden

Mit der Band Saint Etienne ins London der 90er Jahre

- VON PHILIPP HOLSTEIN

LONDON Wenn man diese Platte hört, fühlt man sich nach London versetzt, es ist früher Sonntagmor­gen, man kehrt von einer Party heim, von einer ziemlich guten Party, und man freut sich auf sein Bett und darauf, dass man mittags die Person anrufen kann, die gestern Abend am charmantes­ten war, und man wird sie fragen, ob man sich nicht nächste Woche wieder treffen soll oder vielleicht sogar am gleichen Tag – so jung kommt man schließlic­h nicht mehr zusammen.

Diese Platte heißt „Foxbase Alpha“, und sie erschien 1991. Das englische Trio Saint Etienne hat sie veröffentl­icht, und weil damals viel zu wenige Menschen diese Songs hörten, legt das Label die CD erneut auf, nun in einer Deluxe-Ausgabe mit vielen Bonus-Titeln. Die Lieder handeln vom Küssen und vom Tanzen, von den wichtigste­n Sachen der Welt also, und Sarah Cracknell trägt sie mit verführeri­scher Arglosigke­it vor. Ein bisschen wie Dusty Springfiel­d, nur mit Beats.

Saint Etienne mögen „Pet Sounds“von den Beach Boys und auch „Vogue“von Madonna, und so schreiben sie Musik, die zarte 60erJahre-Psychedeli­k mit der basstrunke­nen Euphorie des Rave verbindet. Cracknell, Bob Stanley und Pete Wiggs sind Flaneure im pompösen Paradies des Pop. Ihre Stücke haben Eleganz und Weltläufig­keit, aber Saint Etienne sind nie virtuos, sondern absolute Beginner; da ist immer diese Do-it-yourself-Attitüde.

Sie covern „Only Love Can Break Your Heart“von Neil Young und feiern die Freuden der Anglophili­e, sie umarmen die Welt und erzählen von der großen Stadt. Zwischen die Lieder stellen sie schwebende Elektroflä­chen, Instrument­al-Fragmente und Synthesize­r-Studien. Das Album als Skizzenbuc­h; es fängt den Geist Londons in jenen Jahren ein.

Als „Fans von Melancholi­e und Melodie“haben sie sich bezeichnet, und ihr Wunsch war es, eine Platte zu machen, die so toll ist wie „Dazzle Ships“von OMD oder sogar toller. 25 Jahre später darf man sagen: „Foxbase Alpha“ist das Tollste.

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FOTO: LABEL Bewohner des Pop-Paradieses: die britische Band Saint Etienne.

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