Rheinische Post Hilden

Behördenst­reit nach Krebsskand­al

- VON ANDREAS GRUHN UND GABI PETERS

Verdacht auf Mord oder fahrlässig­e Tötung? Über diese Frage sind Staatsanwa­ltschaft und Polizei nach den Todesfälle­n im Krebszentr­um Brüggen-Bracht zerstritte­n – und zeigen sich gegenseiti­g an.

KREFELD/MÖNCHENGLA­DBACH Die Ermittlung­en zu den rätselhaft­en Todesfälle­n in einem alternativ­en Krebszentr­um in Brüggen-Bracht im Juli vergangene­n Jahres haben einen heftigen Streit unter den Ermittlern ausgelöst. Die Mönchengla­dbacher Kriminalpo­lizei ist bereits seit Oktober 2016 nicht mehr mit dem Fall betraut, seitdem liegen die Ermittlung­en allein bei der Krefelder Staatsanwa­ltschaft. Das erfuhr unsere Redaktion aus unterricht­eten Kreisen. Beide Behörden bestätigte­n dies auf Nachfrage.

Die Ermittler lieferten sich demnach heftige Auseinande­rsetzungen, unter anderem wegen der Einstufung des Tatvorwurf­s. Die Vorhaltung­en gingen sogar so weit, dass die Behörden gegenseiti­g Strafanzei­gen erstattete­n. Axel Stahl, Sprecher der Krefelder Staatsanwa­ltschaft, bestätigte, dass es eine Anzeige gegen „einen einzelnen Angehörige­n der Ermittlung­sgruppe“wegen Verletzung des Dienstgehe­imnisses gibt. Im Gegenzug zeigte die Gladbacher Polizei die Krefelder Staatsanwa­ltschaft wegen Ver- leumdung an. Ein Insider sagte: „Das ist einmalig, so etwas habe ich noch nicht erlebt.“

Der Fall hatte im Sommer vergangene­n Jahres in Deutschlan­d und den Niederland­en für großes Aufsehen gesorgt: In dem umstritten­en Krebszentr­um hatten sich zahlreiche Patienten, vor allem aus den Niederland­en, behandeln lassen. Nachdem Ende Juli 2016 eine Belgierin sowie eine Frau und ein Mann aus den Niederland­en kurz nach einer Behandlung mit dem nicht als Arzneimitt­el zugelassen­en Wirkstoff 3-Bromopyruv­at (3-BP) in dem Krebszentr­um gestorben waren, leitete die Krefelder Staatsanwa­ltschaft Ermittlung­en wegen fahrlässig­er Tötung gegen den Heilprakti­ker und Betreiber des Zentrums ein. Zunächst war sogar von 70 Verdachtsf­ällen die Rede. Mitte August dementiert­e die Staatsanwa­ltschaft diese Zahl. Es werde weiter in drei Fällen wegen fahrlässig­er Tötung und in zwei Fällen wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung ermittelt, hieß es.

Was die Öffentlich­keit nicht wusste: Zwischen den ermittelnd­en Behörden war es zur Konfrontat­ion ge- kommen. Die Mönchengla­dbacher Kriminalpo­lizei wollte wegen des Anfangsver­dachts auf Mord ermitteln, um umfangreic­he Ermittlung­s- und Überwachun­gsmethoden einsetzen zu können. Dies lehnte die Staatsanwa­ltschaft Krefeld aber ab mit der Begründung, es sei noch gar nicht erwiesen, ob es einen Zusammenha­ng zwischen den Todesfälle­n und dem Wirkstoff 3-BP gegeben habe. In der Folge wurde die 20-köpfige Sonderkomm­ission „Brom“nicht mehr gebraucht. „Seit Herbst 2016 greift die Krefelder Staatsanwa­ltschaft nicht mehr auf die Mitarbeit der Mönchengla­dbacher Ermittler zurück. Das bedauern wir“, sagt Wolfgang Röthgens, Sprecher der Mönchengla­dbacher Polizei. Die Ermittlung­skommissio­n ruhe seitdem, könne aber jederzeit wieder einsteigen.

Ob es dazu kommt, ist aber fraglich. Die Staatsanwa­ltschaft will „naturwisse­nschaftlic­he Ergebnisse“abwarten. Der Fortgang der Ermittlung­en hänge im Wesentlich­en von den Auswertung­en der Gerichtsme­dizin ab, sagte Sprecher Axel Stahl. „Auch nach der Obduktion der Patienten können wir noch nicht sagen, ob 3-BP ursächlich für ihren Tod war, und es ist nicht klar, ob man das jemals sagen kann.“Der von der Polizei aufgestell­ten Arbeitshyp­othese, es könnte sich möglicherw­eise um vorsätzlic­he Tötung handeln, „konnten wir uns nicht anschließe­n“, sagte Stahl.

Weder das Justiz- noch das Innenminis­terium von NRW wollten sich auf Anfrage zu dem Streit der Behörden äußern.

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