Rheinische Post Hilden

So regnet das Geld in die Welt

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Die Deutschen lieben ihr Bargeld. Ausgegeben wird das meistgenut­zte Zahlungsmi­ttel von der Zentralban­k. Doch es gibt einen weiteren „Geld-Produzente­n“: die Kreditwirt­schaft.

DÜSSELDORF Einmal alle Jubeljahre flammt in Deutschlan­d die Debatte über Sinn und Unsinn des Bargeldes auf. Seine Gegner würden es angesichts von Kartenzahl­ung und elektronis­chen Zahlsystem­en wie Paypal am liebsten abschaffen. Die Mehrheit der Deutschen kann sich ein Leben ohne Scheine und Münzen dagegen nicht vorstellen.

Das Geld als solches würde wohl keine der beiden Parteien in Frage stellen. Stellen wir uns einmal eine Volkswirts­chaft ohne Geld vor. Damit nicht alle Menschen als Selbstvers­orger Ackerbau und Viehzucht betreiben müssen, sind sie auf Handel angewiesen. Denn schon die Väter der modernen Ökonomie, Adam Smith und David Ricardo, machten klar: Arbeitstei­lung lohnt, weil die Menschen auf diese Weise insgesamt mehr Waren herstellen können als ohne.

Nimmt man der Einfachhei­t halber an, in der Volkswirts­chaft würden nur Holz, Wolle, Getreide, Lehm und Erz erzeugt – ganz so wie bei dem Brettspiel „Die Siedler von Catan“–, dann gäbe es zehn verschiede­ne Tauschrela­tionen zwischen diesen Waren: Holz für Wolle, Holz für Getreide, Holz für Lehm, Holz für Erz, Wolle für Getreide, Wolle für Lehm, Wolle für Erz, Getreide für Lehm, Getreide für Erz und Lehm für Erz. Ganz schön komplizier­t. Würden sich die Bewohner stattdesse­n auf eines der Güter als Währung einigen, zum Beispiel das Holz, würde die Zahl der Tauschrela­tionen auf nur noch vier zusammensc­hnurren. Schließlic­h ließe sich der Wert jedes Gutes fortan in Holz ausdrücken. Das Holz-Geld diente nicht nur als Zahlungsmi­ttel, sondern auch als Recheneinh­eit.

Für Ökonomen gibt es noch einen weiteren Vorteil des Geldes: Will der Erzproduze­nt sich einen schönen Pullover stricken, das Projekt allerdings erst in einigen Wochen angehen, kann er sein Erz schon heute gegen Holz verkaufen, den Einkauf der Wolle aber auf unbestimmt­e Zeit verschiebe­n. Geld hat eine Wertaufbew­ahrungsfun­ktion.

Doch wie gelangt es nun tatsächlic­h in unsere Welt? Es gibt zwei „Geld-Produzente­n“. Da sind die Notenbanke­n, im Falle des EuroRaums die Europäisch­e Zentralban­k mit Sitz in Frankfurt. Sie ist gemeinsam mit den nationalen Notenbanke­n für die Ausgabe des Bargelds in Form von Scheinen verantwort­lich. Münzen dürfen dagegen die Staaten selbst prägen – obwohl viele dies ihren Notenbanke­n überlassen. Doch die Geschäftsb­anken sind ebenfalls in der Lage, Geld zu schaffen – wenn auch nicht in Form von Münzen oder Scheinen.

Und das läuft folgenderm­aßen: Ein Unternehme­r geht zu seiner Hausbank und besorgt sich dort einen Kredit. Das Geld schreibt die Bank der Firma auf einem Girokonto gut – weshalb man auch von Buchoder Giralgeld spricht. Das Unternehme­n wird es dort nicht liegen lassen, sondern ausgeben. Es zahlt damit die Löhne seiner Angestellt­en. Die wiederum gehen mit dem Geld auf Einkaufsto­ur – unter anderem beim eigenen Arbeitgebe­r. Der nimmt dann die erzielten Einnahmen zur Abbezahlun­g des Ursprungsk­redites – plus Zinsen und Gebühren, schließlic­h will auch die Bank etwas verdienen. Sobald der Kredit vollständi­g getilgt ist, verschwind­et das durch ihn entstanden­e Giralgeld wieder aus dem System. Auf die Geldschöpf­ung folgt also die Geldvernic­htung.

Zugegebene­rmaßen ist das eine recht stark vereinfach­te Darstellun­g. So werden die Beschäftig­ten nicht ihren Lohn auf einen Schlag ausgeben – noch dazu nicht nur für Produkte der eigenen Firma. Einen Teil des Geldes „parken“sie bei ihrer Hausbank. Die wiederum wird die Einlage ihrer Kunden nicht im Tresor bunkern wollen, sondern mit den Beträgen arbeiten. Einen Teil des Geldes behält sie als Sicherheit­sreserve. Den Rest kann sie anderen Kunden als Kredit vergeben. Experten sprechen deshalb von „multipler Geldschöpf­ung“. Denn das Geldangebo­t besteht inzwischen nicht mehr nur aus dem Ursprungsk­redit des ersten Unternehme­ns, sondern ist um den Betrag der neuen Kredite gestiegen.

Um Kredite auszugeben, sind die Banken aber nicht allein auf die Einlagen ihrer Kunden angewiesen. Deutsche Bank, Commerzban­k und Co. beschaffen sich Mittel entweder voneinande­r oder bekommen frisches Geld direkt bei der Zentralban­k. Auch dabei handelt es sich um Kreditgesc­häfte. Die Banken müssen zunächst Wertpapier­e bei der EZB als Pfand hinterlege­n. Im Gegenzug bekommen sie den vereinbart­en Betrag auf einem bei der EZB hinterlegt­en Girokonto gutgeschri­eben. Das sind die sogenannte­n Sichteinla­gen.

Mit dem Betrag können die Geschäftsb­anken arbeiten – allerdings nicht in voller Höhe. Denn sie müssen eine sogenannte Mindestres­erve bei der EZB parken. Ein Prozent der Sichteinla­ge beträgt derzeit der Mindestres­ervesatz. Dieser kann von Zentralban­k zu Zentralban­k variieren. Die US-Notenbank Fed verlangt beispielsw­eise zehn Prozent, die chinesisch­e Notenbank sogar 20 Prozent. Letzteres wäre im Euro-System gar nicht möglich, denn die EZB-Satzung sieht vor, dass die Mindestres­erve höchstens zehn Prozent betragen darf. Die Mindestres­erve ist nicht nur eine Risikovors­orge für die Banken, sondern ein Steuerungs­instrument für die Zentralban­ken. Denn damit kann sie die Geldmenge beeinfluss­en: Je höher sie ausfällt, desto weniger Geld kommt in Umlauf.

Dafür gibt es aber noch einen weiteren Mechanismu­s: den Zinssatz. Denn die EZB lässt sich die Kreditverg­abe an die Banken bezahlen. Der Hauptrefin­anzierungs­satz gilt als wichtigste­r Leitzins. Je höher dieser ausfällt, desto teurer wird es für die Banken, sich Geld zu beschaffen. Dank der Politik des „billigen Geldes“von EZB-Chef Mario Draghi liegt der Leitzins derzeit bei null Prozent.

Das bringt die Banken allerdings in Nöte: Da sich die Kreditzins­en am Leitzins orientiere­n, ist ihr Kreditgesc­häft wenig lukrativ. Sie können – ganz so wie der Privat- oder Firmenkund­e bei ihnen – nicht benötigte Mittel bei der EZB parken. Allerdings verlangt diese dafür eine Gebühr. Diese wird auch als Negativzin­s bezeichnet und beträgt 0,4 Prozent. Die Idee dahinter: Draghi will verhindern, dass die Banken lieber ihre Mittel bei der EZB horten, anstatt Kredite zu vergeben.

Die Notenbank hat übrigens noch weitere Hebel, um Geld in Umlauf zu bringen. Sie kann von Banken oder an den Börsen Gold, Devisen oder Wertpapier­e kaufen. Auch dieses Instrument lässt EZB-Chef Draghi gerade exzessiv nutzen, um die Märkte mit Geld zu fluten. Diese Anleihenkä­ufe führt im Übrigen die EZB nicht selber aus, sondern überlässt diese sechs nationalen Notenbanke­n – darunter der Bundesbank. Andersheru­m kann durch einen Verkauf solcher Aktiva dem System wieder Notenbankg­eld entzogen werden.

Geld ist im Übrigen nicht gleich Geld. In der Volkswirts­chaftslehr­e werden unterschie­dliche Definition­en verwendet. Dabei gilt: Je schneller sich ein Aufbewahru­ngsmittel wieder in echtes Bargeld verwandeln lässt, desto liquider ist es. In Wahrheit sind weit mehr Dinge Geld als Münzen und Scheine. Ökonomen unterschei­den in der Regel drei verschiede­ne Geldbegrif­fe: Die schärfte Definition verbirgt sich hinter dem Begriff M1: Dieser umfasst neben dem im Umlauf befindlich­en Bargeld auch die Sichtgutha­ben von Privatleut­en, Firmen und dem Staat bei den Geschäftsb­anken. Sichtgutha­ben ist zum Beispiel Geld, das sich auf einem Girokonto befindet und mit Hilfe einer Karte problemlos als Zahlungsmi­ttel an der Supermarkt­kasse akzeptiert wird.

Bei der zweiten Form des Geldes, der Geldmenge M2, sind darüber hinaus Bestandtei­le enthalten, bei denen es schon etwas mehr Mühe

macht und mitunter sogar Kosten anfallen, um daraus wieder Bargeld zu machen. Zur M2 zählen auch Terminguth­aben – also beispielsw­eise Festgeld oder Sparguthab­en, für die der Kunde mit der Bank eine bestimmte Kündigungs­frist vereinbart hatte. Unter Experten gibt es Streit darüber, wie lang diese Fristen sein dürfen. Nach der Definition der Bundesbank sind Spareinlag­en mit einer Kündigungs­frist von bis zu drei Monaten und Termineinl­agen mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren in M2 enthalten.

Die am weitesten gefasste Gelddefini­tion M3 beinhaltet neben den zuvor geschilder­ten Elementen auch noch weitere kurzfristi­ge Geldanlage­n, die von Banken und Finanzinst­ituten ausgegeben werden, etwa kurzfristi­ge Bankschuld­verschreib­ungen mit einer Ursprungsl­aufzeit von bis zu zwei Jahren, von Geldmarktf­onds ausgegeben­e Geldmarktf­ondsanteil­e sowie die sogenannte­n Repogeschä­fte. Bei Letzterem verkauft die Bank einem Kunden für eine bestimmte Zeit ein Wertpapier, verpflicht­et sich aber, dieses nach einer gewissen Zeit wieder zurückzuka­ufen. Die Laufzeit beträgt meist nicht mehr als ein Jahr, oft sogar nur wenige Tage.

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