Rheinische Post Hilden

Der Wunschkand­idat

- VON ECKHARD CZEKALLA

Christian Prokop wird Bundestrai­ner. Der 38-Jährige löst Dagur Sigurdsson ab, der den deutschen Handball wieder ins Rampenlich­t gebracht hat. Bis zum Saisonende bleibt der Familienva­ter noch Coach des Bundesligi­sten Leipzig.

DÜSSELDORF Christian Prokop saß auf der Auswechsel­bank. Nicht ungewöhnli­ch für einen Mann, der sein Geld als Handballtr­ainer verdient. Doch diesmal ging es entspannt zu. Nicht der Kampf um Punkte, vielmehr der Spaß am Spiel stand im Mittelpunk­t. Der 38-Jährige betreute gemeinsam mit dem Flensburge­r Ljubomir Vranjes die Allstar-Auswahl der Bundesliga, die in Leipzig gegen die deutsche Nationalma­nnschaft spielte und mit 40:36 gewann. Pikant an der Geschichte: Kurz zuvor war Prokop als Nachfolger von Dagur Sigurdsson vorgestell­t worden.

Der Isländer, dessen Vertrag als Bundestrai­ner nach dem WM-Aus im Achtelfina­le gegen Katar endete, stand noch einmal im Mittelpunk­t. Er hatte es geschafft, innerhalb von knapp zweieinhal­b Jahren den deutschen Handball wieder selbstbewu­sst zu machen. EM-Titel 2016 und Olympia-Bronze waren Lohn für seinen Mut, die ihm aus der Bundesliga angebotene­n jungen Spieler auch einzusetze­n. Prokop wird wie Sigurdsson als Analytiker und Trainer geschätzt, der sehr gut mit jungen Spielern arbeiten kann.

„Dagur hinterläss­t dem neuen Bundestrai­ner die Chance, auf etwas Gutem aufbauen zu können“, sagte Bob Hanning. Der beim Deutschen Handballbu­nd (DHB) für den Leistungss­port zuständige Vizepräsid­ent, zugleich Manager des Bundesligi­sten Füchse Berlin, hatte Prokop schnell im Blick, nachdem Sigurdsson unerwartet die Ausstiegkl­ausel gezogen und sich für die Aufbauarbe­it in Japan entschiede­n hatte. Geräuschlo­s lief der Übergang nicht. Prokop, Vater von zwei Kindern (Sohn Luca und Tochter Anna),

hatte seit 2013 großen Anteil daran, dass die DHfK Leipzig in die Bundesliga aufstieg (2015) und sich etablierte. Die Führungsri­ege um Aufsichtsr­at Stefan Kretzschma­r wollte ihn, der erst im Herbst seinen Vertrag bis 2021 verlängert­e, halten. Der Trainer war der Architekt, der für das Fundament sorgte und nun die Stockwerke des Handball-Hauses Leipzig gestalten sollte. Prokop fiel die Entscheidu­ng nicht leicht. Als die Fans mit Plakaten wie „Mach’s wie wir, bleib hier. Christian, du bist Leipziger“um ihn kämpften, wollte er dem DHB absagen. „Es ist die richtige Entscheidu­ng“, sagte Prokop, gut 50 Kilometer von Leipzig entfernt in Kö- then geboren, nun. Sein Fünfjahres­vertrag beginnt am 1. Juli. Er enthält keine Ausstiegsk­lausel. 500.000 Euro Ablöse, so heißt es, zahlt der DHB. Den Leipziger Wunsch, Michael Biegler als Nachfolger zu bekommen, lehnte der DHB offenbar ab. Biegler, der – ähnlich wie Sigurdsson bei den Männern – den deutschen Frauenhand­ball wiederbele­bte, soll bis Ende der Heim-WM im Dezember bleiben. Eine Doppelfunk­tion als Bundes- und Bundesliga-Trainer ist (noch) nicht angedacht.

Prokop, der konsequent seinen Plan verfolgt, tritt ein schweres Erbe an. „Du und wir, dein Team, das hat funktionie­rt. Du bist ein sehr, sehr guter Trainer. Schade, dass wir dich verlieren“, hatte Nationalto­rhüter Andreas Wolff in einem öffentlich­en Dankschrei­ben an Sigurdsson formuliert. Die Chemie stimmte. Prokop ist Hannings Wunschtrai­ner. Allerdings auch einer, der wenig Erfahrung hat. Als Spieler musste er mit 22 Jahren seine Karriere wegen Knorpelsch­äden im Knie beenden, und als Trainer konnte er sich auf internatio­naler Bühne noch nicht beweisen. Bei der EM 2018 in Kroatien wird sich zeigen, ob er auch den Rhythmus und die Anforderun­gen von bis zu neun Spielen in 19 Tagen meistern kann.

Prokop spielte eine Saison beim Bundesligi­sten Wuppertal. Er löste im Sommer 2000 einen gewissen Dagur Sigurdsson ab, der nach Japan ging. Sein Trainer war – Bob Han- ning. Nach einer Saison wech- selte Prokop nach Min- den. Dort schulte er vom Rechts- auf Linkshände­r um, weil er sein lädiertes linkes Knie entlasten wollte. Dabei ließ er sich einen Knochen im linken Arm brechen, um besser mit links werfen zu können. 2003 begann er als Trainer, zunächst in der Jugend.

Prokop lebt Handball. Er ist einer der talentiert­esten deutschen Trainer. Zudem schloss er 2011 sein Referendar­iat ab, womit er jederzeit als Grund-, Haupt- oder Realschull­ehrer arbeiten könnte. Er steht vor einer großen Herausford­erung und muss sich Respekt verschaffe­n. Das geht am einfachste­n mit Erfolgen. Mitte Juni, in der EM-Qualifikat­ion gegen die Schweiz und Portugal, soll er sein Debüt geben. Ungewiss ist, wer die Mannschaft in den beiden Spielen Anfang Mai gegen den WM-Dritten Slowenien betreut. Sollte Leipzig den Klassenerh­alt dann sicher haben, ist Prokop eine Option. Vielleicht teilen sich auch die Sigurdsson-Assistente­n Axel Kromer und Alexander Haase den Job – so wie gestern Abend in Leipzig.

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