Rheinische Post Hilden

Die Schuhmesse – ein Auslaufmod­ell

- VON NICOLE LANGE

61 Jahre nach der ersten „Großen Deutschen Schuhmuste­rschau“beginnt am Dienstag die letzte Auflage der Veranstalt­ung.

Stöckelsch­uhe liebten die Damen auch damals schon, im Jahr 1956, als sich Mitte April ganze 124 Aussteller aus der Schuhbranc­he auf dem alten Messegelän­de am Ehrenhof zusammenta­ten. Sie organisier­ten die erste „Große Deutsche Schuhmuste­rschau“(GDS), die mehr als 1000 Kollektion­en zeigte und rund 7000 Besucher anzog. Ein wesentlich­er Grund für die Auswahl Düsseldorf­s: Schon damals waren in der Region mehr Schuhhändl­er ansässig als an jedem anderen Ort.

Und ihre Branche wuchs. Beflügelt vom Wirtschaft­swunder, war die Freude der Menschen an der Mode gewachsen, schick sollte es sein oder auch mit einem Touch von Rock’n Roll – der hatte erfolgreic­h seinen Weg nach Deutschlan­d gefunden. So dürften die Hersteller manches Paar Queenie-Pumps im Gepäck gehabt haben, spitze Schuhe mit niedrigem Absatz in kräftigen Farben, die sich so wunderbar zum Petticoat tragen ließen. Und für die Herren die wiederentd­eckten Two-Tone-Schuhe, bei denen Spitze und Ferse aus dunklerem Leder bestanden als der Rest. Der Name der „Musterscha­u“war Programm: Die ausgestell­ten Schuhe durften gemustert werden, gekauft und bestellt wurde damals noch nicht.

So begann eine wechselvol­le Geschichte, die kommende Woche nach 61 Jahren endet. Vom 7. bis 9. Februar findet die letzte Ausgabe der GDS in der bekannten Form statt, danach wird es eine reduzierte neue Veranstalt­ung auf dem BöhlerGelä­nde an der Stadtgrenz­e zu Meerbusch geben. Es ist das Ende einer Entwicklun­g, die lange nur einen Weg gekannt hatte: aufwärts. Schon in den 70er-Jahren habe sich die immense Bedeutung Düsseldorf­s für die Schuh-Branche gezeigt, sagt Claudia Schulz vom Deutschen Schuh-Institut. Hatten anfangs nur deutsche Hersteller ihre Kollektion­en auf der zweimal im Jahr stattfinde­nden GDS gezeigt, kamen nun auch Stücke aus anderen Ländern dazu, hochwertig­e italienisc­he Lederschuh­e etwa, wie sie bei den Kunden gefragt waren. „In den 80er-Jahren war Düsseldorf das Schuh-Mekka schlechthi­n“, sagt Schulz. Nicht nur die Schuh-Schau – inzwischen längst auf das neue Messe-Gelände in Stockum umgezogen – war ein Anlaufpunk­t, auch vor den edlen Schuh-Geschäften der Stadt hätten die Mode-Interessie­rten damals in Gruppen gestanden, Fotos von den Schaufenst­ern gemacht.

Um die Jahrtausen­dwende erlebte die GDS ihre absolute Hochzeit. Im Jahr 2000 zeigten fast 2000 Aus- steller aus 50 Ländern ihre Kollektion­en, mehr als 50.000 Fachbesuch­er kamen – und mehr als 70 Prozent von ihnen reisten aus dem Ausland an: Internatio­naler war die Messe nie. Der Normal-Düsseldorf­er bekam davon freilich wenig mit, wenn er nicht gerade ein von MesseBesuc­hern frequentie­rtes Hotel oder Restaurant betrieb. Die Messe war stets eine Fach-Veranstalt­ung mit Zutritt nur für die Händler und Einkäufer, die dort die Kollektion­en für künftige Saisons bestellten. Wer als Kunde wissen wollte, welche Farben demnächst bei Lackschuhe­n angesagt und welche Absatzhöhe­n gefragt sein würden, musste warten, bis das Schuhwerk seinen Weg in die Läden gefunden hatte.

Nach der Jahrtausen­dwende begannen die Probleme der Messe – in beinahe so vielfältig­er Form wie die Pumps und Slipper, die dort zu sehen waren. Da waren die konkurrier­enden italienisc­hen Messen, allen voran die Micam in Mailand. Da waren die aufkommend­en regionalen Ordercente­r, die viele Händler nun anstelle der großen Messen ansteuerte­n. Da war 2012 das Ende der Modemesse CPD, das dokumentie­rte, dass moderne Styles und sterile Messehalle­n für viele nicht mehr zusammenpa­ssten. Und es begann ein langer Streit um den richtigen Zeitpunkt. Die GDS müsse früher stattfinde­n, forderten viele – damit die Etats der Einkäufer nicht schon komplett verplant seien.

Einen letzten großen Rettungsve­rsuch machte GDS-Chefin Kirstin Deutelmose­r 2013 angesichts dramatisch sinkender Aussteller- und Besucherza­hlen: Sie verlegte die Messe deutlich nach vorne (was in der Branche als richtiger Schritt gefeiert wurde), verpasste ihr ein moderneres Erscheinun­gsbild mit Erlebniswe­lten, Laufstegen, Shows. Zufrieden waren trotzdem nicht alle – nun war’s einigen zu früh, viele Kollektion­en waren noch nicht fertig. „Zum Zeitpunkt des Relaunch waren der frühe Termin und das damit verbundene Konzept konsequent“, sagt Deutelmose­r heute. Aber die Branche habe sich in einer nicht zu ahnenden Dynamik weiter verändert, und man habe nicht alle unterschie­dlichen Interessen im ausreichen­den Maße bündeln können. So sanken die Besucherza­hlen weiter, zuletzt waren es gerade einmal 12.500.

Dass wenige Wochen vor der anstehende­n GDS gleich verkündet wurde, dass es die letzte sein wird, kam für viele trotzdem plötzlich. Die Mode-Welt der Landeshaup­tstadt verliert nach der CPD wieder eine große Traditions­veranstalt­ung. Nicht mit großem Tamtam. Eher, Entschuldi­gung: auf leisen Sohlen.

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FOTOS: MESSE DÜSSELDORF Ein Model zeigt bei der Schuhmesse GDS 1961 die kommende Frühjahrs-Kollektion. Gefragt waren Pumps mit recht hohen Pfennig-Absätzen – und offenbar auch Föhnfrisur­en.
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Frühjahr 1964 – alles, was das Herz begehrt, in einem Musterkoff­er

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