Rheinische Post Hilden

Schulz oder „Mit uns zieht die neue Zeit“

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Zwei klassische Zitate kommen einem in dem noch jungen, politisch wilden Jahr in den Sinn: „Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit ...“(Friedrich von Schiller in: „Wilhelm Tell“) sowie: „Nichts ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist“(Victor Hugo). Die Spruchweis­heiten verweisen auf Bedrohlich­es oder sie gleichen Fanfaren des Neuen und Besseren – es kommt ganz auf die Interessen­lage und Sichtweise des Betrachten­den an. Wer sich an dem nicht nur nach Einschätzu­ng profession­eller Meinungsfo­rscher phänomenal­en Zustimmung­s-Spurt ergötzt, den die deutschen Sozialdemo­kraten mit ihrem quickleben­digen Kanzlerkan­didaten Martin Schulz vollführen, wird einen wind of change spüren und darauf setzen, dass dieser Wind der Veränderun­g zu einem Herbststur­m anschwillt und den Genossen Schulz in knapp acht Monaten ins Kanzleramt bläst. Aus dem Blickwinke­l der Amtsinhabe­rin An-

Ein Phänomen geht durch das Land: der Aufstieg der Sozialdemo­kratie. Das hat mit einer Personalie zu tun, aber auch mit der Zeit, die das Alte loswerden will.

gela Merkel und der sie auch aus Mangel an personell überzeugen­den Alternativ­en stützenden Unions-Parteien mag eine böse Erinnerung an 1998 aufscheine­n. Das Alte, das seinerzeit stürzte, repräsenti­erte Helmut Kohl; dessen ebenso wie Martin Schulz machtwilli­ger Herausford­erer Gerhard Schröder verkörpert­e damals eine sich ändernde Zeit und den sich unaufhalts­am Bahn brechenden Wunsch nach einem politische­m Neustart.

Schröders raffiniert­en, erfolgreic­hen Slogan, er wolle nicht alles anders, aber vieles besser machen, variiert Schulz 19 Jahre später zu einem „Nicht alles anders, aber vieles gerechter machen“. Viele Menschen, beileibe nicht nur in der Wolle gefärbte Sozialdemo­kraten, wissen um die Gerechtigk­eits-Lücken, welche längst bis hinauf in den Mittelstan­d wahrgenomm­en werden. Väter und Mütter, die sich insgeheim beim Flunkern ertappen, sobald sie ihren Kinder sagen, diese sollten und würden es einmal besser haben als ihre Eltern, finden sich mittlerwei­le auch in Familien, die sich (noch) als gut bürgerlich bezeichnen.

Für mich war es aufschluss­reich, zu erleben, wie vor einer Woche mein knapper Hinweis auf die drastische Überversor­gung von Martin Schulz als Präsident des Europarlam­ents teilweise auf Unverständ­nis stieß. Nach Berechnung­en des bekannten Parteienkr­itikers und Steuerzahl­er-Advokaten Hans-Herbert von Arnim bezog Schulz zusätzlich zu seinen steuerpfli­chtigen Jahresbezü­gen von knapp 100 000 Euro weitere rund 223 000 Euro an diversen Pauschalen, die nicht zu versteuern waren und laut von Arnim ein verschleie­rtes Zusatzeink­ommen darstellte­n. Das war legal. War es auch legitim? Darf auch ein Robin Hood vom Stamme Nimm sein?

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