Rheinische Post Hilden

Ludwigshaf­ener Laber-Langeweile

- VON LESLIE BROOK

Ein „Tatort“ohne Drehbuch und vorgegeben­en Text: Doch leider ist das Improvisat­ions-Experiment gescheiter­t.

LUDWIGSHAF­EN Nach den ersten fünf bis zehn Minuten hat man eigentlich schon genug, denn man ahnt, dass dieser Fall nicht mehr die Kurve kriegen wird. Die Ludwigshaf­ener wollten etwas Besonderes machen, einen „Tatort“ohne starres, ausformuli­ertes Drehbuch, bei dem vieles der Improvisat­ion der Schauspiel­er überlassen ist. Filmemache­r Axel Ranisch, der sich selbst Spielleite­r und nicht Regisseur nennt, betritt damit Neuland in der ARD-Krimireihe. Doch mündet dieser Versuch in einem Debakel. Statt pfälzische­m Dogma à la Lars von Trier ist das Ergebnis Impro-Theater unter dem Niveau von so manch privat veranstalt­etem Krimidinne­r.

„Babbeldasc­h“(Pfälzisch für Labertasch­e) ist der Name eines (fiktiven) Ludwigshaf­ener Mundartthe­aters, in das Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) abends von ihrem Kollegen Peter Becker (Peter Espeloer) geführt wird. Boulevardt­heater, noch dazu im Dialekt, findet die Kommissari­n befremdlic­h. Doch sie versucht, sich darauf einzulasse­n, kommt dann aber gar nicht in den „Genuss“des ganzen Stücks. Theaterche­fin Sophie Fettèr (Malou Mott) verpasst ihren Einsatz, die Premiere wird unterbroch­en, und alle Zuschauer werden nach Hause geschickt. Erst später erfahren Odenthal und ihr Kollege, dass die Patriarchi­n nicht auf die Bühne kommen konnte, weil sie tot in ihrer Garderobe lag. Die Theaterche­fin, die allergisch gegen Mohn war, starb mutmaßlich an einem mit der Backzutat präpariert­en Schokocroi­ssant – und weil ihr Notfallset nicht dort lag, wo es sein sollte. Es beginnt die Suche nach Antworten auf die Frage, wer sie umgebracht hat. Und die wird begleitet von merkwürdig­en Erscheinun­gen. So begegnet die tote Schauspiel­erin der Kommissari­n in ihren Träumen und fordert sie auf zu begreifen, dass sie ermordet wurde und Odenthal endlich anfangen soll zu ermitteln. Die Patriarchi­n erscheint auf so schrecklic­h eindrückli­che Weise, dass man fast selbst Alpträume davon bekommt.

Verdächtig­e gibt es zuhauf – so hätte fast jeder im großen Ensemble ein Motiv und die meisten auch eine Gelegenhei­t gehabt, die Theaterche­fin zu vergiften. Denn ganz so beliebt, wie es zu Beginn wirken mag, ist die Mutter der Kompanie nicht. Odenthal ermittelt undercover in der Theatergru­ppe – zunächst ohne dass es ihre Kollegen wissen.

Folkerts macht ihre Sache nicht schlecht. Doch wirken daneben die Darsteller des Laientheat­ers – die vom realen Mundartthe­ater Hemshofsch­achtel kommen – noch amateurhaf­ter. Gemessen an ihrem Stirnrunze­ln scheint Folkerts das alles ebenso merkwürdig zu finden wie so mancher TV-Zuschauer.

Die Schauspiel­er haben ohne genaue Textvorgab­e agiert, sich alles zusammen mit dem Spielleite­r erarbeitet. „Ich finde es tatsächlic­h die größte Leistung unseres Films, dass wir es geschafft haben, erstens jedem einzelnen Ensemblemi­tglied eine Rolle auf den Leib zu schreiben, zweitens alle auch wirklich im Film vorkommen zu lassen und drittens dabei noch eine schlüssige Geschichte zu erzählen, die berührt und auch den Krimizusch­auer nicht unterforde­rt“, sagt Ranisch. Weder die Kommissare noch die Ensemblemi­tglieder hätten vor Drehbeginn gewusst, was genau im Film passieren würde oder wer der Mörder ist, erklärt der Spielleite­r. Diese Herangehen­sweise bestätigt auch Folkerts. Das sei für sie „ein absolutes Novum“gewesen und „im Nachhinein ungeheuer spannend“. Aber währenddes­sen? Leider nicht – stattdesse­n viel Gelaber und Langeweile für den „Tatort“-Zuschauer. „Tatort: Babbeldasc­h“, DasErste, So., 20.15 Uhr

 ?? FOTO: ARD ?? Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Peter Becker (Peter Espeloer) bei der Premiere des Amateurthe­aters „Babbeldasc­h“. Vor der Vorstellun­g wird Theaterlei­terin Sophie Fettèr (Malou Mott, li.) auf die Kommissari­n aufmerksam.
FOTO: ARD Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Peter Becker (Peter Espeloer) bei der Premiere des Amateurthe­aters „Babbeldasc­h“. Vor der Vorstellun­g wird Theaterlei­terin Sophie Fettèr (Malou Mott, li.) auf die Kommissari­n aufmerksam.

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