„Bundesliga ist keine Ein-Mann-Show“
Heute trifft Köln auf den FC Bayern. Der FC-Geschäftsführer spricht über Peter Stöger und den Traum vom Europapokal.
KÖLN Wie solide das finanzielle Fundament des 1. FC Köln mittlerweile ist, bewies Jörg Schmadtke vergangene Woche. Der Geschäftsführer lehnte zwischen 40 und 50 Millionen Euro ab, die der chinesische Klub Tianjin Quanjian für Top-Torjäger Anthony Modeste (17 Tore) geboten hatte. Quanjian erhöhte sein Angebot mehrmals. Heute trifft Köln auf den FC Bayern. Wie froh sind Sie, dass der Transfermarkt in China seit Dienstag geschlossen ist? JÖRG SCHMADTKE (lacht) Deswegen telefoniere ich etwas weniger und habe Zeit für dieses Interview. Nein, wir haben uns früh positioniert. Es ist angenehm, dass wir auf dieser Ebene jetzt Ruhe haben. Man hätte die Infrastruktur mit dem Geld aufrüsten können. SCHMADTKE Am Ende ist das größte Gut Glaubwürdigkeit und Seriosität – und die hätten wir mit einem Transfer ein Stück weit aufs Spiel gesetzt. Abgesehen davon ist mein Gefühl, dass Tony derzeit keinen Drang gespürt hat, sich zu verändern. Modeste und seine Kollegen sprechen immer über gelebten Teamgeist. Wie kann man so etwas steuern? SCHMADTKE Über die Auswahl von Spielern, dann über Werte, die gelebt werden. Und über Arbeitsatmosphäre. Ich glaube, dass das auch andere Vereine versuchen. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal. Trainer Peter Stöger hat auf die Frage „Für immer FC?“geantwortet: „Warum nicht!“SCHMADTKE (lacht) Ist das eine klare Positionierung? Also nehmen Sie es nicht als Bekenntnis zum FC wahr? SCHMADTKE Doch. Ich weiß ja, wie er zu unserem Klub steht, wie er zu der Stadt steht und wie er seine Position lebt. Ich kenne das Bekenntnis – aber nicht aufgrund dieser Aussage. In unserem Geschäft ist es schwierig mit Bekenntnissen. Da passiert etwas und über Nacht, und plötzlich sieht es ganz anders aus. Aber es ist ein wichtiges Faustpfand, dass wir einen Trainer haben, der sich so mit Stadt und Verein identifiziert. Haben Sie schon einmal das Gefühl gehabt, dass ein Trainer so gut zu einem Verein passt? SCHMADTKE Ja, Dieter Hecking hat damals perfekt zu Alemannia Aachen gepasst – auch zuvor Jörg Berger. Ich glaube auch, dass Hecking gerade in Gladbach gut passt. Beim FC geht es steil bergauf. Welchen Anteil haben Sie? SCHMADTKE Irgendeinen Anteil werde ich haben. Ich will den aber nicht quantifizieren. Erfolgreiche Klubarbeit wird immer von ganz vielen Leuten getragen. Fußball-Bundesliga ist keine „Ein-Mann-Show“. Der Klub ist erfolgreich. Damit steigen die Erwartungen. Machen Sie sich Gedanken, wie Sie mit Krisen umgehen werden? SCHMADTKE Man muss sich über viele Dinge Gedanken machen, die muss ich aber nicht nach außen tragen. Natürlich beschäftige ich mich meist mit dem Morgen oder Übermorgen. Das Heute ist in der Regel Aufgabe des Cheftrainers. Wenn Sie am Samstag zum Stadion fahren, denken Sie dann: „Wäre schon überragend, hier in der nächsten Saison ein Europa-League-Spiel auszutragen!“? SCHMADTKE Deswegen arbeiten wir ja alle. Wir arbeiten nicht, um gegen Bayern eine möglichst knappe Niederlage zu kassieren. Wir versuchen, einen Punkt oder einen Dreier einzufahren. Und wenn wir ehrlich sind, starten wir in eine Saison mit dem Versuch, Meister zu werden. Dass das illusorisch ist, wissen wir. Weniger illusorisch ist ein Platz im internationalen Geschäft. SCHMADTKE Im Moment nicht. Natürlich ist das ein erstrebenswertes Ziel. Wir wissen aber, wie schwer es ist. Die Gladbacher schieben von hinten, auch Schalke und Leverkusen. Wir können Tabellen lesen. Wie würde sich das internationale Geschäft auf den Kader auswirken? SCHMADTKE Wirtschaftlich wären wir besser gestellt. Dann wären wir flexibler auf dem Transfermarkt. Aber es ist nicht so, dass wir Messi verpflichten könnten. Ich glaube nicht, dass wir den Kader aufblähen müssten. Trotz der Doppelbelastung? SCHMADTKE Ich glaube, das ist eine Mär. Gute Planung rund um die Spiele ist das Wichtigste. Geht es nur um Regeneration? SCHMADTKE Wenn die Logistik perfekt ist, können vielleicht sogar zwei Transfers eingespart werden. Benutzen andere Klubs die Doppelbelastung also als Ausrede? SCHMADTKE Wir haben einen Standortvorteil, weil der Flughafen hier nachts auf ist. Dann könnte man nach einem Auswärtsspiel direkt zurückfliegen und müsste nicht noch mal in einem fremden Bett schlafen. Das tut der Regeneration gut. Wir müssten uns mehr über die Planung Gedanken machen als über zwei Spieler mehr. Am Samstag kommen die Bayern. Viele sagen: Das einfachste Spiel der Saison. Was sagen Sie? SCHMADTKE Es gibt auch Leute, die sagen, es gäbe nichts zu verlieren. Das habe ich nie verstanden. Fragen Sie mal beim HSV, ob die es nach ihrem 0:8 heute auch noch so sehen, dass sie nichts zu verlieren hatten. Sind die Bayern eine Gefahr für die Attraktivität der Bundesliga? SCHMADTKE Derzeit nicht. Der Wettbewerb verkraftet einen sehr starken FC Bayern. Schauen Sie sich die Zuschauerzahlen, den Wettbewerb an. Das ist alles stabil. Sie haben im Sommer gewarnt, dass die Bundesliga Gefahr läuft, den Kontakt zur Basis zu verlieren. Fühlen Sie sich gehört? SCHMADTKE Das ist eine schwierige Frage. Teile der Kommerzialisierung können nicht verändert werden. Man muss aufpassen, das Empfinden der Menschen nicht überzustrapazieren. Wir brauchen eine gewisse Aufteilung des Spieltags für die Kommerzialisierung, aber wir sollten nicht an sechs verschiedenen Tagen spielen. Wann fällt die 50+1 Regel? SCHMADTKE Wenn der Erste klagt. Im Prinzip ist die Geschichte entschieden. Die Frage ist: Was verändert sich? Es kommt mehr Geld in den Kreislauf. Aber es ändert sich nichts Großes. Wer glaubt, er kann dann Bayern München einholen, liegt falsch. Wird ein Investor Thema für den FC? SCHMADTKE Kann sein, derzeit nicht. Ihr Vertrag läuft bis 2020. Welche Ziele haben Sie noch bis dahin? SCHMADTKE Ich will schon mindestens einmal mit diesem Klub international spielen. Andererseits: Wenn wir 2020 komplett entschuldet wären, Eigenkapital aufgebaut und eine veränderte Infrastruktur hätten, wäre ich auch schon zufrieden. Das i-Tüpfelchen wäre aber der internationale Wettbewerb. Sie sind Düsseldorfer. Können Sie sich in Zukunft ein Engagement in Düsseldorf vorstellen? SCHMADTKE Ich kann mir viele Dinge vorstellen. Aber heute würde ich sagen: Nein. Ein Grund ist: Es ist meistens keine gute Idee, nach vielen Jahren zu seinem Heimatklub zurückzukehren, weil Erwartungen geschürt werden. Es könnte das Leben in meiner Heimatstadt etwas unrunder machen.