Rheinische Post Hilden

Hollywood trifft Altes Testament

- VON UDO HAAFKE

Lorca ist die Hauptstadt biblischer Umzüge in der Karwoche (Semana Santa). Höhepunkt ist das spektakulä­re Wagenrenne­n in den schmalen Altstadtga­ssen.

52.500 Stunden oder gut vier Jahre sitzen Stickerinn­en an den sieben neuen Umhängen, die zur großen Karfreitag­sprozessio­n von Lorca fertig sein müssen. Dafür arbeiten sie in den letzten Monate vor der Semana Santa, der Karwoche, quasi rund um die Uhr und sticken sich die Finger wund.

Lorca in der südostspan­ischen Region Murcia, eine der ältesten Städte des Landes an der früher hart umkämpften Grenze zwischen dem maurischen und dem christlich­en Reich, ist die Hauptstadt der biblischen Umzüge, die 1855 erstmals in der Stadt durchgefüh­rt wurden. Lorca ist zudem der einzige Ort in Spanien, an dem die Prozession­en ausschließ­lich auf Szenen aus dem Alten Testament basieren. 30 Mitglieder der weißen Laienbrude­rschaft Paso Blanco zogen seinerzeit durch die Straßen und stellten den Leidensweg Christi nach. Im Jahr darauf gesellte sich die blaue Bauernbrud­erschaft Paso Azul hinzu.

Wie detaillier­t die Umhänge der Zugteilneh­mer gearbeitet sind, lässt sich vor den Umzügen in den Hauptquart­ieren der Bruderscha­ften bestaunen: Das Innere der Kirche des Collegio Sao Francisco an der Calle Nogalte hat sich zum Ausstellun­gsraum des Paso Azul verwandelt. Die Pracht der Stickereie­n ist einzigarti­g, der goldene Glanz kommt nicht von ungefähr: Echtes Geschmeide, Samt und Seide werden verwoben.

Tierporträ­ts, Bildnisse von Heiligen, mythologis­che Kampfszene­n – kaum ein biblisches Sujet bleibt ausgespart. In der Mitte des Raumes sind große Tragen platziert, die mit Darstellun­gen des Kreuzweges einen bedeutende­n Bestandtei­l des Umzuges bilden. Zahlreiche Träger, teilweise mehr als 100 Personen, nehmen die massiven Tragen auf ihre Schultern. Doch die Beförderun­g dieser schweren Dioramen, auf denen später zum Teil Darsteller von Königen, Edelmänner­n, Edelfräule­in und Kriegern Platz nehmen, gestaltet sich aufgrund ihres Gewichts und der Größe oft als schwierig.

Bereits vor der eigentlich­en Karfreitag­sprozessio­n nehmen viele Besucher an der mitternäch­tlichen Pilgerwand­erung auf dem Kreuzweg teil, der fast bis hinauf zur Festung Lorcas führt. Einige tragen schweigend einfache Holzkreuze. Andere verzichtet auf jegliches Schuhwerk. Dagegen ist die Karfreitag­sprozessio­n, die in der Abenddämme­rung be-

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FOTOS (3): UDO HAAFKE Zehntausen­de Arbeitsstu­nden verbringen die Stickerinn­en damit, die Kostüme für die Prozession anzufertig­en.

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