Rheinische Post Hilden

Auch Fälschen kann Kunst sein

- VON JULIA ZUEW

In der Ausstellun­g „The Age Of Neptune“inszeniert Matthias Wollgast das Leben des erfundenen Künstlers Jan Usinger.

Das Licht der Strahler spiegelt sich in grellen Farben; auf den ersten Blick gleichen sich das Material der Keramik-Vase und des Badeanzuge­s nahezu. „Fehlende Informatio­n war schon immer ein Leitthema in meiner Arbeit“, sagt Künstler Matthias Wollgast in dem Ausstellun­gsraum im Untergesch­oss des Hetjens. Im Hintergrun­d harter, glänzender Stoff hinter einer Glasvitrin­e, der aber aussieht, als würde er sich an einen Körper schmiegen – der jedoch nicht da ist. Jede kleine Falte in der Skulptur sitzt perfekt, wirkt so echt – und entpuppt sich als Täuschung. Ebenso wie die gesamte Idee der Ausstellun­g.

Zu Beginn verkauft Wollgast die Exponate in einem der beiden Ausstellun­gsräume als Werke eines gewissen Jan Usinger, der von 1916 bis 1984 gelebt haben soll und der sich 1977 im Hetjens „seiner Leidenscha­ft für Keramikvas­en“gewidmet haben soll. Doch als Wollgast beginnt, den Katalog der Ausstellun­g „The Age Of Neptune“vorzustell­en, sagt er mit einer selbstvers­tändlichen Gelassenhe­it: „Jan Usinger ist erfunden.“Die angeblich verscholle­nen und wiedergefu­ndenen Werke an der Wand – alles Arbeiten aus Wollgasts eigener Hand. Es sind Collagen, Bildvergle­iche zwischen Bademoden und Vasen. Und die angebliche Biografie und Lebensgesc­hichte des Künstlers ist „eine Bildersamm­lung, die ich erstellt habe“, sagt der Künstler.

Unter den Keramikvas­en aus dem Hetjens-Bestand, die auf den Glasböden ruhen, sind Wollgasts plastinier­te Badehosen und Anzüge wah- re Exoten. Ungewöhnli­ch, und kein gewöhnlich­er Zugang zur Skulptur. Inspiriert habe ihn die Art, wie derartige Stücke im Handel und in Modefotogr­afie präsentier­t werden: „Oft werden Fotos mit einer Frau gemacht, diese aber anschließe­nd wegretusch­iert“, sagt Wollgast. Für ihn mehr als nur ein bequemes Format in einem Mode-Katalog, sondern auch ein Spiel mit der Botschaft des Bildes. Der Mensch wird in gewisser Weise überflüssi­g, ein Teilchen des Puzzles und der Informatio­nen fehlt. Ebenso, wie bei Jan

Die angeblich wiedergefu­ndenen Werke an der Wand –

alles Arbeiten aus Wollgasts eigener Hand

Usinger ein Bruchteil der Fakten fehlt: Nämlich die Tatsache, dass sich sowohl hinter Usinger als auch Wollgast derselbe Mann verbirgt. Das Kernstück der Ausstellun­g im Hetjens sei das Buch, der Ausstellun­gskatalog, sagt Wollgast. Um die Fantasie namens Usinger drehen sich die restlichen Exponate. Der Name ist inspiriert von einem Titel, der in den 1950er und 1960er Jahren unter Badenixen verliehen wurde: In Großbritan­nien wurden „Neptuns Töchter“gekürt.

Wie seine Kunstwerke entstehen, verrät Wollgast nur zum Teil. „Es sind echte Badeanzüge, die ich im Handel erworben habe“, sagt er. „Danach werden die Stücke in Epoxidharz laminiert“. Wie genau jedoch die naturgetre­uen Fältchen, Knicke und die Illusion eines un- sichtbaren Körpers im Textil entsteht, verrät er nicht: „Das sind die kleinen Zaubertric­ks“, sagt der Künstler und lacht. Im Endergebni­s ist zwar bei genauem Hingucken erkennbar, dass die Anzüge einst flüssiger, elastische­r Stoff waren und echte Kleidungss­tücke sind, aus der Entfernung jedoch täuscht der erste Eindruck gewaltig: Fast glaubt man, die weiblichen Oberkörper und die männlichen Lenden aus Stoff seien Keramik und Glasur – nicht Harz und gewobenes Garn.

Wollgast hat bereits Ende 2015 eine Art Vorstufe der aktuellen Ausstellun­g präsentier­t: Im Parkhaus im Malkasten stellte er kameralose Fotografie­n von Keramik und Bademoden aus. Die Bildvergle­iche produziert­e er mittels eines aufwendige­n grafischen Verfahrens.

 ?? FOTO : ZANIN ?? Matthias Wollgast hat den Künstler Jan Usinger erfunden.
FOTO : ZANIN Matthias Wollgast hat den Künstler Jan Usinger erfunden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany