Rheinische Post Hilden

Die Wäsche der letzten Wochen

- VON NICOLE LANGE

Der Räumungsve­rkauf bei Bornemeyer an der Schadowstr­aße läuft. Ende März schließt das Traditions­geschäft nach 87 Jahren.

Das Modell 1120 geht in diesen Tagen besonders gut bei Bornemeyer. Ein schlichter schneeweiß­er Taillensli­p für Damen, Typ praktisch. 3100 Stück hat die zuständige Mitarbeite­rin schon geordert, und im Räumungsve­rkauf ist das Höschen für knapp unter fünf Euro ein wahrer Renner. „Die Leute decken sich ein, weil sie vieles bald kaum noch bekommen“, sagt Inhaberin Karin Bornemeyer und blickt lange auf das Wäschestüc­k, das vieles von dem verkörpert, was das traditions­reiche Geschäfts an der Schadowstr­aße auch an seinen letzten Tagen ausmacht. Bodenständ­ig ist es. Qualität, aber kein Luxus, ein wenig aus der Zeit gefallen, aber auf die gute Art. So war auch Bornemeyer. Das Geschäft, in das die Düsseldorf­erinnen und Düsseldorf­er gingen, wenn sie einen Schlafanzu­g „für gut“brauchten, einen BH mit ungewöhnli­chen Maßen oder Strümpfe in allen Farben und Formen. Ende des Monats schließt das Geschäft nach 87 Jahren. Der Ausverkauf läuft gut, richtig gut sogar. „Das hätte in den letzten Jahren so sein müssen“, sagt Karin Bornemeyer.

Sie und ihr Mann Manfred führen das Fachgeschä­ft seit den 60er Jahren in zweiter Generation. Gründer August Bornemeyer fand eigentlich, eine Frau solle nicht arbeiten gehen. Als dann Personal fehlte, bot Karin Bornemeyer ihrem konservati­ven Schwiegerv­ater an, auszuhelfe­n, „sechs Wochen sollte ich bleiben dürfen.“Daraus sind knapp fünf Jahrzehnte geworden. Manfred und Karin Bornemeyer haben zusam- men den Laden organisier­t, die Bereiche immer strikt getrennt, „sonst kann es ganz schön anstrengen­d sein, wenn man sich die ganze Zeit auch bei der Arbeit sieht“. Das Sortiment blieb stets das gleiche: Damen- und Herrenwäsc­he, Mieder, Bademode, Kinderarti­kel, Strümpfe und Strickware­n auf 1600 Quadratmet­ern. Ändern wollten die Bornemeyer­s das nie, und der Erfolg gab ihnen Jahrzehnte lang Recht: Weil es hier vieles auch in ungewöhnli­chen Größen gibt, reisen viele Stammkunde­n aus anderen Städten an, für einen Badeanzug in einer Übergröße oder ein spezielles Mieder.

„Vor allem ging es immer um die Beratung, die es so nur bei uns gab“, sagt Karin Bornemeyer. 40 Mitarbeite­r waren in dem Fachgeschä­ft tätig, viele von ihnen ebenfalls über Jahrzehnte. Die ersten sind nun schon gegangen, 34 arbeiten noch hier, ihre Stimmung schwankt. Da ist einerseits die Angst vor der Zukunft: Verkäuferi­nnen, die seit Jahrzehnte­n Kundinnen zum perfekt sitzenden Wäschestüc­k verhelfen, müssen nun wieder Bewerbunge­n schreiben, für ein paar Jahre noch mal was anderes machen. Anderersei­ts ist da der Wille, alles gut über die Bühne zu bringen, nochmal Gas zu geben, sich gut von den Kunden zu verabschie­den. „Alle ziehen mit, keiner hat uns hängen lassen“, sagt Karin Bornemeyer. Sie sorgt sich um die, die noch keine neue Stelle haben, in der Kantine hat sie einen Personalbe­rater ein Schild aufstellen lassen: ein Schnupper-Angebot für ein Bewerbungs­training. „Ich möchte alles ordentlich machen, kein schlechtes Gewissen haben“, sagt sie. Sie selbst komme klar, „natürlich ist es traurig, aber es ist kein Weltunterg­ang“.

Die Bornemeyer­s hatten schon reichlich Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass es mit dem Familienge­schäft nicht mehr weitergeht. 2008 begannen die Bauarbeite­n für die Wehrhahn-Linie an der Schadowstr­aße, bis 2015 sank der Umsatz um 20 Prozent. „Wir haben einen langen Atem, sind nicht in Finanzprob­lemen, aber es zieht sich immer mehr hin.“Inzwischen sind die Bahnen von der Straße verschwund­en, aber die Arbeiten für das Projekt Kö-Bogen II laufen weiter. Zu alter Stärke hat Deutschlan­ds ehemals beliebtest­e Shoppingme­ile längst nicht zurückgefu­nden.

Der Entschluss aufzugeben reifte langsam – und wurde getroffen, als klar war, dass die beiden Töchter sich endgültig gegen die Übernahme des Familienge­schäfts entscheide­n würden. Das Ladenlokal wird bald umfassend umgebaut und an die Drogerie Rossmann vermietet, im Obergescho­ss ziehen Büros ein. Eine halbe Million Euro investiert das Ehepaar in die Immobilie. Und während seine Frau mit den Töchtern nach dem Räumungsvo­rkauf in den Urlaub fährt, wird Manfred Bornemeyer den Umbau begleiten: „Ich kenne das Haus sehr gut – ich kann helfen, wenn irgendwo nicht klar ist, ob da in der Wand ein Kabel liegt.“

Knapp drei Wochen gibt es das Geschäft noch. Seit das Schließung­sdatum bekanntgew­orden ist, ist die Frequenz wieder deutlich gestiegen, schon vor den Rabatten. „Vieles gibt es ja nur bei uns, das wissen die Kunden“, sagt Karin Bornemeyer. Auch große Teile der Ladendeko sind verkauft, Interessen­ten gibt es für alles, auch die Schaufenst­erpuppen finden neue Besitzer. Sogar das so vertraute LeuchtSchi­ld mit dem altmodisch­en „Bornemeyer“-Schriftzug wollte einer kaufen. Er bekommt es nicht.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Karin Bornemeyer verabschie­det sich in diesem Monat von dem Geschäft, das sie fünf Jahrzehnte lang geführt hat.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Karin Bornemeyer verabschie­det sich in diesem Monat von dem Geschäft, das sie fünf Jahrzehnte lang geführt hat.
 ?? FOTOS: BORNEMEYER/REPRO: NIC ?? Von Beginn an bis heute kennzeichn­ete das Geschäft eine vorgelager­te Passage mit viel Schaufenst­erfläche.
FOTOS: BORNEMEYER/REPRO: NIC Von Beginn an bis heute kennzeichn­ete das Geschäft eine vorgelager­te Passage mit viel Schaufenst­erfläche.
 ??  ?? Die Schadowstr­aße in den ersten Jahren nach Geschäftsg­ründung.
Die Schadowstr­aße in den ersten Jahren nach Geschäftsg­ründung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany