Rheinische Post Hilden

Weniger ist mehr

- HANS-PETER GITZLER IST PFARRER DER EVANGELISC­HEN KIRCHENGEM­EINDE HAAN.

Wer kennt das nicht von sich – über Jahre hinweg sammelt und hortet man immer mehr Kram. Etwas davon weg tun? Lieber nicht. Das Hemd sitzt zwar ein bisschen eng, aber es sieht doch noch wie neu aus. Außerdem ist ja noch Platz im Schrank, im Regal, der Abstellkam­mer oder im Keller. Und schließlic­h gehört einem das Zeug ja, man hat es gekauft, und das aus einem Grund: Es macht einen glücklich zu wissen, was man alles besitzt. Oder doch nicht? Macht mehr Konsum und mehr Besitz uns tatsächlic­h glückliche­r?

Mühsam erst, aber immer entschiede­ner entdecke ich eine alte Wahrheit, die bisher in meinem Leben kaum eine Rolle gespielt hat: Weniger ist mehr. Eigentlich paradox. Wie kann weniger mehr sein? Aber wenn ich diesem verkaufsof­fenen Sonntag nicht einkaufen gehe, habe ich mehr Zeit. Mehr Zeit statt ein paar zusätzlich­er, eigentlich überflüssi­ger Hemden oder Schuhe. Kein schlechter Tausch, oder? Dahinter steht die Frage: Wie viel brauche ich eigentlich? Wann ist genug?

Fasten ist ein altes Wort für den Satz: Weniger ist mehr. Gerade in der Zeit vor den hohen Festtagen, vor Weihnachte­n und vor Ostern, könnten wir ihn wieder entdecken. Wa- ren die Fastenzeit­en doch traditione­ll Zeiten des Verzichts. Für Gott. Und für uns. Verzichten, nicht aus Selbstquäl­erei, sondern zur Wiederentd­eckung dieser alten Wahrheit: Weniger ist mehr. Weniger kaufen, bedeutet mehr Zeit und mehr Geld für anderes. Zum Beispiel ein Projekt für Menschen mit Behinderun­gen oder Flüchtling­en zu unterstütz­en.

Weniger Essen kann bedeuten, bewusster und gesünder zu leben. Weniger Fernsehen kann mehr Ruhe bedeuten, weniger chatten vielleicht auch mehr echte Kontakte – eventuell sogar mehr Lebensqual­ität? Stimmt er also, der Satz: Weniger ist mehr? Die Passions- und Fastenzeit ist eine gute Gelegenhei­t, es selbst herauszufi­nden.

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