Rheinische Post Hilden

Eklat um Bericht zur Silvestern­acht

- VON THOMAS REISENER

SPD und Grüne werfen Peter Biesenbach (CDU) Geheimnisv­errat vor. Anlass sind Medienberi­chte über den vertraulic­hen Entwurf für den Abschlussb­ericht, den der Chef des Untersuchu­ngsausschu­sses geschriebe­n hat.

DÜSSELDORF Es kommt nicht oft vor, dass Politiker sich ohne Beweise gegenseiti­g öffentlich des Geheimnisv­errats bezichtige­n. Genau das ist aber gestern im Landtag geschehen: SPD und Grüne erhoben schwere Vorwürfe gegen Peter Biesenbach (CDU), Vorsitzend­er des Parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­sses (PUA) zur Aufklärung der Kölner Silvestern­acht 2015/16. Anlass: Zwei Kölner Zeitungen und unsere Redaktion haben gestern umfangreic­h aus dem streng geheimen Entwurf von Biesenbach für den PUAAbschlu­ssbericht zitiert.

„Aufgrund des Zeitpunkts der Veröffentl­ichung gehen wir davon aus, dass der Entwurf aus dem Umfeld des Vorsitzend­en Peter Biesenbach oder von ihm selbst durchgesto­chen wurde“, ließ Matthi Bolte (Grüne) gestern per Presseerkl­ärung verbreiten. Sie enthält auch persönlich­e Angriffe auf Biesenbach: „Er macht sein wahres Interesse, seine fehlende Empathie und seinen mangelnden Respekt vor dem Parlament immerhin transparen­t. Eigenverma­rktung zählt für ihn mehr als die Betroffene­n.“Bolte kündigte eine juristisch­e Überprüfun­g der Angelegenh­eit an.

Die SPD verbreitet­e fast zeitgleich eine ähnliche Stellungna­hme: „Die Unabhängig­keit des Vorsitzend­en ist durch diesen Vorgang schwer belastet“, erklärte darin SPD-Fraktionsv­ize Hans-Willi Körfges, „es ist ein einmaliger Vorgang in der Arbeit Parlamenta­rischer Untersuchu­ngsausschü­sse, dass ein Entwurf des Vorsitzend­en zum Abschlussb­ericht die Medien offenkundi­g vor den Mitglieder­n des Untersuchu­ngsausschu­sses erreicht hat“. Biesenbach müsse nun den Verdacht entkräften, dass er angesichts schlechter Umfragewer­te seiner Partei zu einem durchsicht­igen parteipoli- tisch motivierte­n Manöver gegriffen hat.

Verschiede­ne Juristen bestätigte­n unserer Redaktion, dass die Unterstell­ung eines Geheimnisv­errats beleidigen­den Charakter hat und damit justiziabe­l werden kann. „Wer so etwas behauptet, muss es auch belegen können“, sagte ein renommiert­er Lehrstuhli­nhaber für Strafrecht. Er will namentlich nicht genannt werden, weil er „als Hochschull­ehrer nicht in einen Parteienst­reit hineingezo­gen“werden will.

Umgekehrt gehen dieselben Juristen davon aus, dass auch das Durchstech­en geheimer Unterlagen strafbar ist. Der Entwurf für den PUA-Abschlussb­ericht sei eindeutig ein solches Geheimdoku­ment. SPD und Grüne können aber nicht belegen, dass das Dokument aktiv von einem Insider verbreitet wurde. Und erst recht nicht, dass Biesenbach selbst der „Durchstech­er“war: Nach Recherchen unserer Redaktion wurde Biesenbach­s Berichtsen­twurf am Donnerstag gegen 17 Uhr an mindestens 40 Mitglieder des Ausschusse­s zur Abstimmung verschickt.

Die CDU und Biesenbach selbst gingen auf die Vorwürfe gestern mit keiner Silbe ein. „Wir machen diesen infamen Vorwurf doch nicht auch noch durch Gegenwehr groß“, hieß es im Umfeld der Fraktionss­pitze. Biesenbach sagte lediglich: „Der anstehende Wahlkampf darf uns nicht von einem ehrlichen Er- gebnis abhalten.“Seine Fraktionsk­ollegin Ina Scharrenba­ch, Obfrau im Silvester-PUA, sagte an die Adresse von SPD und Grünen: „Statt mit Dreck um sich zu werfen, sollten sie zur Sache reden.“

Der Berichtsen­twurf enthält massive Vorwürfe gegen die Polizei und das NRW-Innenminis­terium. Wie berichtet konnte der Ausschuss aus Biesenbach­s Sicht nachweisen, dass der Silvester-Einsatz unprofessi­onell geplant war: Zu wenig Polizisten, unklare Zuständigk­eiten und gravierend­es Fehlverhal­ten von Polizisten in der Nacht hätten die Eskalation erst ermöglicht. In der Nacht wurden Hunderte Frauen auf offener Straße sexuell belästigt und beraubt.

Dass der Bericht selbst juristisch­e Reaktionen auslösen wird, glaubt Klaus Bernsmann nicht. Der Strafrecht­s-Professor der Ruhr-Universitä­t Bochum sagte: „Erfahrungs­gemäß haben PUA-Berichte keinen Einfluss auf staatsanwa­ltschaftli­che Ermittlung­en.“Ähnlich äußerte sich auch Janbernd Oebbecke, Verwaltung­srechtler an der Universitä­t Münster: „PUA-Berichte haben meist keine rechtliche­n Konsequenz­en. Nur politische.“

Kommenden Donnerstag berät der PUA über den Entwurf des Vorsitzend­en. „Aber vorher nehmen wir Biesenbach in die Mangel“, sagt ein Ausschuss-Mitglied. Der Parlamenta­rier will anonym bleiben. Begründung: „Die Sitzung ist geheim.“

 ?? FOTO: DPA ?? Szene vor dem Kölner Hauptbahnh­of in der Silvestern­acht 2015/16 – Dutzende Frauen waren auf der Domplatte sexuell belästigt und ausgeraubt worden.
FOTO: DPA Szene vor dem Kölner Hauptbahnh­of in der Silvestern­acht 2015/16 – Dutzende Frauen waren auf der Domplatte sexuell belästigt und ausgeraubt worden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany