Rheinische Post Hilden

Den man Schimanski nennt

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Heinz Sprenger hat die Duisburger Mafia-Morde aufgeklärt und viele andere Täter hinter Schloss und Riegel gebracht. Nun hat der ehemalige Leiter der Duisburger Mordkommis­sion ein Buch über seine Fälle geschriebe­n.

DUISBURG Heinz Sprenger weist den Weg, so wie er es meist sein ganzes Berufslebe­n über gemacht hat. Er steht auf dem Campus der Fachhochsc­hule für öffentlich­e Verwaltung in Mülheim an der Ruhr und schirmt die Augen mit der Hand ab. Die Sonne blendet. Der zweigescho­ssige Baucontain­er gleich da drüben sei es, sagt er und geht voran, vorbei an einer Gruppe junger Polizeianw­ärter, die ihn grüßen. Sein Büro ist so schlicht eingericht­et wie es das Gebäude selbst ist, in dem es sich befindet. Ein Schrank, zwei Schreibtis­che, auf denen nicht

„Ein Polizist ist gut beraten, wenn er seine Fälle bis zur Gerichtsve­rhandlung weiterdenk­t“

Heinz Sprenger viel mehr als die nötigsten Büroutensi­lien stehen. Bis auf einige Zeitungsar­tikel und Fotos an einer Pinnwand deutet nichts darauf hin, dass es der Arbeitspla­tz einer Polizeileg­ende ist. Der 64-Jährige hängt seine Jacke über den Stuhl, setzt Kaffee auf und beginnt zu erzählen von seiner Zeit bei der Duisburger Mordkommis­sion.

Sprenger, ein Mann von etwa 1,70 Meter mit Brille, Oberlippen­bart und ergrauten Haaren, ist zu seiner aktiven Zeit einer der besten Fahnder des Landes gewesen. Die Aufklärung der Duisburger Mafiamorde, bei denen am 15. August 2007 vor der Nobel-Pizzeria „Da Bruno“am Duisburger Hauptbahnh­of sechs Italiener mit 56 Schüssen hingericht­et worden sind, haben ihn über die Grenzen Deutschlan­ds hinaus berühmt gemacht. „Hätte jemand mir zu Beginn meiner Laufbahn gesagt, ich würde einmal in einem Fall wie den Mafiamorde­n ermitteln, ich hätte ihn vermutlich für verrückt erklärt.“

Aufgewachs­en im Ruhrgebiet, zieht es ihn 1971 zur Polizei. Über zwei Jahrzehnte leitet er die Mordkommis­sionen in Duisburg und ist von 2002 bis 2010 Leiter des Kriminalko­mmissariat­s 11 in Duisburg, einer Gruppe von Top-Ermittlern. Manche nennen Sprenger den wahren Schimanski; ein Spitzname, gegen den er nichts einzuwende­n hat. Das Buch, das er über seine Fälle als Mordermitt­ler geschriebe­n hat und das heute erscheint, hat er so genannt – auch aus Marketingz­wecken, weil es sich so wahrschein­lich besser verkaufe, räumt er ein.

Immer ehrlich, immer offen. Sprenger sagt, was Sache ist. Auch deshalb ist was Wahres dran am Vergleich mit dem Duisburger „Tatort“Ermittler Horst Schimanski. Beide sagen geradeaus, was sie von ihren Gegenübern halten, verstecken sich nicht hinter einem Lächeln und treten einem nicht ins Kreuz, wenn man sich umdreht. „Ich mag keine Schaumschl­äger, die nur heiße Luft produziere­n“, betont Sprenger – von denen es aber einige in seiner Laufbahn gegeben habe. Ermittler wie er und Schimanski seien Leute, die mit ihren Fällen aufstehen und wieder ins Bett gehen. „In der Zeit, in der ich Mordkommis­sionen geleitet habe, bin ich abends oft nur zum Schlafen heimgekomm­en“, sagt Sprenger. Neben seinem Bett auf dem Nachttisch habe immer ein Blatt Papier und ein Stift gelegen, „weil ich wusste, ich würde nachts wach werden und an Fakten denken, die ich womöglich tagsüber außer Acht gelassen hatte.“

Der Serienmörd­er, der zu früh starb, ein Mord ohne Leiche, der Tote im Getreidesi­lo – Sprengers Fälle klingen fast ausnahmslo­s wie Titel skandinavi­scher Bestseller­Krimis – und so lesen sie sich zum Teil auch. Mit dem Unterschie­d, dass sich tatsächlic­h alles so zugetragen hat. So auch der Fall des Kannibalen von Duisburg, Joachim Kroll, der mindestens acht Menschen ermordet und die Leichentei­le anschließe­nd teilweise gegessen hat.

Fast 45 Jahre jagt Sprenger Mörder, Totschläge­r, Drogendeal­er und Verbrecher aller Art. Die meisten kann er hinter Schloss und Riegel bringen, weil er seine Ermittlung­sarbeit nach einer Festnahme nicht einstellt. „Grundsätzl­ich gilt, dass ein Polizeibea­mter immer sehr gut beraten ist, wenn er seine Fälle bis zur Gerichtsve­rhandlung weiterdenk­t“, erklärt Sprenger. „Denn ich muss mir immer überlegen, welche Beweisantr­äge ein Verteidige­r eventuell stellen könnte, um bestimmte Fakten zu widerlegen.“

Viele Täter, die er hinter Gitter gebracht hat, hat er später wiedergese­hen – und zwar in Freiheit. „Denn dass jemand wirklich länger als fünfzehn Jahre in Haft bleibt, stellt die absolute Ausnahme dar“, sagt Sprenger. „So kommt es vor, dass aus der Haft entlassene Straftäter sich bei mir melden, um mich auf eine Tasse Kaffee einzuladen.“Hin und wieder lasse er sich auf eine dieser Einladunge­n ein, weil er die Bemühungen der Menschen respektier­e, wieder in der Gesellscha­ft Fuß zu fassen. „Diese Gespräche drehen sich oft um die damalige Situation – wie es also überhaupt zu der Tat gekommen ist. Meistens wird das Geschehen vom Täter als ein Fehler dargestell­t, den er begangen hat.“

Ende 2010 gibt Sprenger seinen Chefposten bei der Mordkommis­sion wegen interner Differenze­n auf und wechselt zur Schutzpoli­zei nach Mülheim an der Ruhr. Damals sagte man über diesen Wechsel, das sei so, als würde Felix Magath Trainer von Hamborn 07 werden. Sein Wissen gibt Sprenger nun an den Nachwuchs weiter. Eine Arbeit, die ihm Spaß macht. An der Fachhochsc­hule zeigt er den Polizeianw­ärtern, worauf es ankommt, und lehrt, was nicht in Büchern zu finden ist – und das ist eine Menge.

 ?? FOTO: DPA ?? Am 15. August 2007 wurden vor der Nobel-Pizzeria „Da Bruno“am Duisburger Hauptbahnh­of sechs Italiener mit 56 Schüssen hingericht­et. Die Aufklärung des Falls machte Heinz Sprenger über die Grenzen Deutschlan­ds hinaus berühmt.
FOTO: DPA Am 15. August 2007 wurden vor der Nobel-Pizzeria „Da Bruno“am Duisburger Hauptbahnh­of sechs Italiener mit 56 Schüssen hingericht­et. Die Aufklärung des Falls machte Heinz Sprenger über die Grenzen Deutschlan­ds hinaus berühmt.

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