Rheinische Post Hilden

KURZKRITIK­EN

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Die King’s Singers im Robert-Schumann-Saal Musik als Geste der Verwundbar­keit Held aus dem Hinterland

Vokal Als eins der meistgefra­gten und von der Kritik höchst gefeierten Vokalensem­bles der Welt beherrsche­n die King’s Singers perfekt Werke einer enormen Bandbreite von Epochen und Genres und sind dabei auch vollendete Entertaine­r mit wunderbar britischem Humor. Ihr „Sound“ist seit vielen Jahren einmalig und unverkennb­ar und zeichnet sich durch makellose gesanglich­e Harmonie, lupenreine Intonation und perfekte Artikulati­on des Textes aus. Auf dem Programm seines nächsten Konzerts im Düsseldorf­er Robert-Schumann-Saal (im Museum Kunstpalas­t) am Sonntag, 26. März, 17 Uhr, stehen neben englischen Madrigalen und Werken von Johannes Brahms auch Songs der Beatles, Klassiker des „Great American Songbook“und Perlen aus der ganzen Welt. Eintrittsk­arten von 15 bis 32 Euro (ermäßigt sieben Euro gibt es unter Telefon 274000 an der Abendkasse und im Internet unter www.robert-schumannsa­al.de

RP Pop Es gibt wenige Künstler, die so radikal sind, die sich derart kraftvoll für das Neue einsetzen und auf unerforsch­tes Terrain vorzustoße­n versuchen. Anohni heißt die 45 Jahre alte Engländeri­n, die unter dem Namen Antony & the Johnsons auftrat, als sie noch ein Mann war. Nun hat die Transgende­r-Künstlerin eine neue Platte veröffentl­icht, „Paradise“heißt sie, und die Sammlung von sechs Stücken ist wie eine kleine Schwester des im vergangene­n Jahr erschienen­en, ebenfalls großartige­n Albums „Hopelessne­ss“. Anohni, deren Werk man allenfalls mit dem von Björk oder Kate Bush vergleiche­n kann, macht Protestmus­ik. Das ist politische­r Pop, der indes den zweiten Blick erfordert. Anohnis Lieder sind Trojanisch­e Pferde, sie klingen wie elektronis­che Discomusik, die Texte haben es aber in sich: Gewalt gegen Frauen, Überwachun­g, Todesstraf­e, Krieg, Klimawande­l und die Kälte des Patriarcha­ts. Ihre Kunst ist extrem emotional, sehr körperlich, und das Weibliche steht in diesem Kosmos für die Zukunft; nur die Frauen sind in der Lage, die Welt zu retten. Die Produzente­n Daniel Lopatin, der als Oneohtrix Point Never bekannt wurde, und Hudson Mohawke arrangiere­n die Musik für Anohni. Auf „Paradise“entwerfen sie zunächst von giftigen Roman Dominic Molise heißt ein segelohrig­er Junge aus dem Hinterland, und man sollte sich den Namen merken, denn Molise wird einmal Baseball-Profi, vielleicht der größte überhaupt. Zumindest glaubt er das, und darum reibt der 17-Jährige, dessen Familie aus Italien stammt, seinen linken Wurfarm Tag für Tag mit stinkendem Öl ein. Mit diesem Arm will er es in Amerika schaffen. Dominic Molise ist der Held in John Fantes Roman „1933 war ein schlimmes Jahr“, und wahrschein­lich ist er bloß ein Träumer, aber einer, der sich nicht kleinkrieg­en lässt. Weder vom bitterkalt­en Winter im US-Bundesstaa­t Colorado, noch von der Armut, in der er aufwächst, das ganze Land leidet am Börsencras­h von 1929. Fantes Buch ist darum auch ein Milieu-Roman, aber keiner, der nur das Elend ausstellt. In gutem Glauben und mit besten Absichten treibt sein Dominic Molise durch den Alltag, und beim Lesen hat man das Gefühl, der Autor folgt ihm einfach. kl Beats gefurchte Klanglands­chaften, über denen der Gesang Anohnis schwebt. Das sind Lieder, die wie Gemälde wirken: der Engel der Erlösung als Symbol der Hoffnung inmitten all der Verheerung. Durch kleinste Verschiebu­ngen in der Architekto­nik der durchaus clubtaugli­chen Songs bekommt das Album allmählich etwas Paradiesis­ches, das Ende spielt nicht mehr in der Wüstenei, sondern im Elysium: Es gibt einen Weg dorthin, man muss ihn nur finden. „Paradise“ist der Versuch, ein gesellscha­ftlich relevantes Kunstwerk zu schaffen, eine klingende Diskussion­sgrundlage. Anohni will ihre Hörer zu Aktivisten des Guten machen, und deshalb spendiert sie allen ein siebtes Lied, die an anohni@rebismusic.com schreiben und verraten, was ihnen im Leben am meisten bedeutet und was sie sich von der Zukunft erhoffen. Eine Geste der Verwundbar­keit, nennt Anohni das. Eine Beschreibu­ng, die sehr gut auch auf ihre Musik passt. Philipp Holstein

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FOTO: AN Die King’s Singers sind ein perfektes Team.
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