Rheinische Post Hilden

„Unser Wohnglück ist in Gefahr“

- VON UTE RASCH UND ANDREAS ENDERMANN (FOTOS)

Ein Düsseldorf­er fand in Friedrichs­tadt das für sich perfekte Domizil. Jetzt soll für die Schnellbah­n eine hohe Mauer davor errichtet werden.

Dieser Blick hat ihn damals gleich überzeugt: in die mächtigen Baumkronen der über 100 Jahre alten Platanen. Dass direkt dahinter die SBahn fährt, hat Dieter Sawalies nie gestört. „Man hört sie kaum, und im Sommer, wenn die Bäume im vollen Laub stehen, sieht man sie nicht mal“, sagt er. Außerdem gehöre das nun mal zum städtische­n Leben. Nun aber ist es mit dem Frieden vorbei – und bald wohl auch mit dem Blick. Denn das Wohnglück des Düsseldorf­er Psychother­apeuten an der Gustav-Poensgen-Allee in Friedrichs­tadt ist in Gefahr – durch ein Großprojek­t.

Vor gut einem Jahr wurden die Pläne der Deutschen Bahn bekannt: Eine neue Schnellbah­n, der RheinRuhr-Express, soll die Städte Dortmund und Köln verbinden, im 15Minuten-Takt Pendlerstr­öme durchs Ruhrgebiet transporti­eren und den S-Bahn-Verkehr deutlich entlasten. So weit, so gut. Laut Immissions­schutzgese­tz sind Bund und Bahn verpflicht­et, bei neuen Projekten für Lärmschutz zu sorgen. Für die Anwohner der Gustav-Poensgen-Allee bedeutet das: Auf den bereits existieren­den vier Meter hohen Bahndamm soll noch mal eine vier Meter hohe Lärmschutz­wand gesetzt werden. „Außerdem sollen die alten Baumriesen gefällt werden.“

Spätestens zu diesem Zeitpunkt war Dieter Sawalies, Mitglied der Bezirksver­tretung, alarmiert. „Für uns würde das bedeuten, statt in die Baumkronen vor dem Haus gegen eine acht Meter hohe Wand zu blicken.“Dass seine Wohnung dadurch deutlich dunkler würde, beunruhigt ihn obendrein.

Dabei dachte er, die ideale Lösung gefunden zu haben, als er 1983 in dem Eckhaus zwei kleine Beamtenwoh­nungen kaufen konnte. Das Haus stammt wie die meisten seiner Nachbarn aus der Zeit des Jugendstil­s und wird von dichtem Efeu berankt. Ein Schmuckstü­ck, „oft bleiben Menschen stehen und fotografie­ren die Fassade.“Sie hat damals auch Dieter Sawalies gleich gefallen, ebenso wie das Original-Treppenhau­s, das nach einer Renovierun­g durch Kontraste besticht: weinroter Teppich unter silbergrau­en Wänden. Aber entscheide­nd war, dass aus den beiden kleinen Wohnungen ein großzügige­s Domizil entstehen konnte. Um seine Wohnwünsch­e zu verwirklic­hen, „habe ich damals alle nicht-tragenden Wände entfernen lassen.“

Deshalb sieht man heute schon vom Wohnzimmer aus auf einen zentralen Ort dieser Wohnung: die Schlafoase. Das Bett thront auf einem Podest, darüber eine getigerte Tagesdecke, davor weckt eine künstliche Kokospalme Fernwehträ­ume – Dekoration mit Augenzwink­ern. Die exotische Kulisse ergänzt ein knallblaue­s Wildschwei­n, das zur Kunst erstarrt ist.

Überhaupt, die Kunst: Schon in der schmalen Diele werden die Wände bis zur hohen Decke mit Fotografie­n geschmückt, im Zentrum das Hochzeitsb­ild der Großeltern – „meine Ahnengaler­ie“. Im großen Wohnraum treffen heimische Motive aus dem ausgehende­n 19. Jahrhunder­t des Düsseldorf­er Malers Caspar Risse auf ein Nagelbild von Günther Uecker. Daneben ein hessischer Bauernschr­ank von 1820 und eine Kaminumran­dung aus einer französisc­hen Villa in Lille, die abgerissen wurde. Aus ihr rettete Sawalies auch eine fein gearbeitet­e alte Tür, durch sie betritt man heute sein Reich. Der Blick wandert zur Decke mit zwei prachtvoll­en Stuckroset­ten und bleibt an einer farbigen Fläche hängen: „Unser Hauswappen.“Von einer Nichte gemalt, vereinigt es Düsseldorf­er Symbole mit gekreuztem Elfenbein aus Kenia – der Lebensgefä­hrte von Dieter Sawalies stammt aus Mombasa. Und hat aus seiner Heimat afrikanisc­he Masken mitgebrach­t, die mitten in Friedrichs­tadt ein starkes Eigenleben entfalten.

Könnte alles so harmonisch sein – wäre da nicht die angedrohte Wand vor dem Haus. Mittlerwei­le macht sich eine Bürgerinit­iative, in der Sawalies „selbstvers­tändlich“Mitglied ist, gegen die Mauer und für den Erhalt der Baumriesen stark. Viel Unterstütz­ung aus der Nachbarsch­aft hat sie bisher noch nicht: „Die meisten werden doch erst wach, wenn die Kettensäge­n anrücken.“

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1983 hat Dieter Sawalies zwei kleine Beamtenwoh­nungen an der Gustav-Poensgen-Allee gekauft und daraus sein Traum-Heim gemacht.
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Zentraler Ort der Wohnung ist die Schlafoase mit künstliche­r Palme und getigerter Tagesdecke.

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