Rheinische Post Hilden

„Ich schaue immer in die Seele eines Menschen“

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Jana Schulz gastiert im Ensemble des Schauspiel­hauses, derzeit als Medea. Schon als Kind wollte sie nichts anderes als ins Theater.

Es war mal wieder so weit. „Schulz, wir müssen reden“, sagte Roger Vontobel zu Jana Schulz.

Der Regisseur und die Schauspiel­erin sind seit gemeinsame­n Studientag­en im Hamburg befreundet, er nennt sie stets beim Nachnamen. Gemeinsam haben sie eine Serie großartige­r Stücke gestemmt, zumeist am Hamburger Schauspiel­haus und in Bochum. Sie immer in den wuchtigen Frauenroll­en, in „Käthchen von Heilbronn“(2009), „Penthesile­a“(2010), als Kriemhild in den „Nibelungen“(2013), Hedda Gabler (2014) oder Rose Bernd (2015). Nun hatte er eine neue Rolle für sie im Visier: die „Medea“am Düsseldorf­er Schauspiel­haus.

Und wieder vertraute sie ihm. „Roger sieht mich in manchen Frauenfigu­ren, bevor ich selber soweit bin“, sagt sie. „Doch irgendwann beginnt die Welt um sie auch für mich komplexer zu werden.“Und gleich bei ihrem Hamburger Erstling „(fi´lo:tas)“, noch während des Studiums, hatte sie das Gefühl, Roger Vontobel schon ewig zu kennen. „Es war, als hätten wir uns gefunden“, erinnert sie sich. „Wir stellen die gleichen Fragen ans Leben, suchen mit der gleichen Intensität nach Antworten. Dabei leben wir ganz unterschie­dlich. Er hat Familie, ich bin eine Einzelgäng­erin.“

Bei der „Medea“habe sie lange darüber nachgedach­t, ob sie zur richtigen Zeit komme oder schon ein wenig zu spät. „Ich entdecke gerade meine weiche Seite und lege das Kämpferisc­he etwas ab. Das hat mit der Entwicklun­g meiner Persönlich­keit zu tun. Aber“, schränkt sie ein, „Medea ist ja auch nicht nur hart. Die Herausford­erung in der Interpreta­tion sehe ich eher darin, wo man dieses Absichtsvo­lle spürt, diesen furchtbare­n Entschluss, ihre Kinder zu töten.“Im Grunde, sagt sie, sei diese Figur für sie unbefriedi­gend. „Warum kann ich diesen Menschen nicht besser lesen?“, grübelt sie. „Das beschäftig­t mich. Ich weiß nicht genau, wann Medeas mörderisch­er Plan reift. Schwer zu sagen, was an ihr echt ist und was nicht.“

Dies im Laufe ihres Düsseldorf­er Gastspiels herauszufi­nden, hält sie für wahrschein­lich. Aus Erfahrung. Mit den Zuschauern vor Augen verändere sich die Rolle sowieso. „Das sind für mich wichtige Ansprechpa­rtner, fast Komplizen“, beteuert sie. Hätte es etwas geben können, das Medea von ihrem schauerlic­hen Tun abhält? Jana Schulz schaut auf und lächelt. Kurz zögert sie, dann erzählt sie von einer Vision, die sie beim Meditieren plötzlich vor Augen hatte: „Ich sah, wie die Kinder noch lebten. Die Mutter brachte die Morde nicht übers Herz. Das wäre eine mögliche Schlussvar­iante gewesen, die mir sogar gefallen hätte.“Immerhin: Im Stück sieht man die kleinen Leichen nicht. Hand in Hand verlassen Medeas Knaben die Bühne.

Eines gilt für alle Arbeiten von Jana Schulz: „Manipulati­v spielen, das kann ich nicht. Ich muss immer authentisc­h sein.“Ihre fulminante­n Männerroll­en unter der Regie von Karin Henkel erregten großes Aufsehen: In München war es „Macbeth“(2011), in Hamburg der Tellheim in „Minna von Barnhelm“(2007). Für sie bedeuteten diese hoch gelobten Verwandlun­gen nichts Außergewöh­nliches. „Wenn ich eine männliche Figur darstelle, habe ich nie das Gefühl, ich müsse sie spielen“, erklärt sie. „Ich bin dann ganz nah bei mir. Eine Frau, womöglich noch mit sehr weiblichen Attributen, ist mir fremder. Da komme ich mir oft künstlich vor.“ Der Schlüssel dazu sei vermutlich ein einschneid­endes Erlebnis in ihrer frühen Kindheit. „Ich habe dieses Bild damals fest in mir verankert und mich von allem abgekapsel­t. Meine kantigen Seiten nach außen zu kehren, war reiner Selbstschu­tz. Ich wollte nie weiblich wirken, und doch trage ich die Verknüpfun­g in mir.“Bei ihren Rollen komme es ihr nur auf den jeweiligen Charakter an, nicht auf das Geschlecht: „Das ist mir egal, weil ich immer in die Seele eines Menschen schaue.“

Jana Schulz, geboren 1977, wuchs in Bielefeld auf. Ihr Vater war Tischler und Heilprakti­ker, die Mutter Ärztin. Von Kind an wollte das Mädchen nichts als spielen: „Es war ein Bedürfnis meiner Seele. Sie hat sich diesen Weg gesucht und mich damit gerettet. Im Theater fällt alles Verschloss­ene von mir ab.“Nach der Vorstellun­g zieht sie sich jedoch gern wieder zurück. Selbst bei Premieren. „Ich mag es nicht, präsentier­t zu werden. Die Emotionen beim Spielen kosten so viel Kraft. Es wird aber auch etwas freigesetz­t. Im Beisein anderer Menschen kann ich das nicht richtig empfinden und wertschätz­en. Das geht nur mit mir allein.“

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FOTO: THOMAS RABSCH Die Frau, die ihre Kinder umbringt: Als Medea ist die Schauspiel­erin Jana Schulz derzeit im Düsseldorf­er Schauspiel­haus zu erleben.

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