Rheinische Post Hilden

Ameisen: Multitalen­te im Terrarium

- VON SABINE MAURER

Ameisen fallen für die meisten Menschen in die Kategorie Schädlinge. Doch es gibt auch Fans, die sich die fleißigen Tierchen extra ins Haus holen.

Die Liste ihrer guten Eigenschaf­ten ist lang: f leißig, sozial, zuverlässi­g und stark. Doch die meisten Menschen mögen sie nicht, die Ameise. Schließlic­h macht sich das Insekt gerne mal in der Wohnung breit, krabbelt auf den Kuchen und macht ihn so ungenießba­r.

Zu den seltenen menschlich­en Fans des Tiers gehört Klaus-Berndt Nickel aus Schauenbur­g, Chef der Ameisensch­utzwarte Hessen. Ihn fasziniere­n die kleinen Krabbeltie­re. „Sie können das 45-fache ihres Eigengewic­hts tragen, bauen ihren Hügel immer wieder um und wenn es regnet, decken sie ihn ab“, erzählt er.

Weltweit gibt es etwa 16. 000 Ameisenart­en. Einige davon sind geschützt, darunter auch die heimische Waldameise. Wer Ameisen zu Hause halten will, darf die Insekten natürlich nicht fangen.

Um ganz sicher zu gehen, dass man kein geschützte­s Exemplar erwischt, kann man sich Ameisen kaufen. Ameisen in Gefangensc­haft werden in einem Formicariu­m gehalten, so heißt das Terrarium. Es besteht aus einem Nest und einem „Arenaberei­ch“. In dem Nest graben sich die Tiere ein, durch die Scheibe können sie in den Gängen und Kammern beobachtet werden.

Ihren Auslauf haben sie in der Arena, dort suchen sie auch ihr Futter. „Außerdem bringen sie ihre Abfälle wie Futterrest­e, Exkremente und verstorben­e Tiere dahin“, erklärt Sebesta. Das ist auch für den Halter praktisch: Er muss nur das Häufchen entfernen und nicht das komplette Terrarium auf Abfall untersuche­n.

Bevor es ans Einrichten des Formicariu­ms geht, sollte sich der künftige Ameisenhal­ter allerdings sehr gut informiere­n – denn er kann vieles falsch machen. So muss im Nest zunächst ein spezielles Granulat eingestreu­t werden, damit keine Staunässe entsteht. Darauf wird eine Sand-Lehm-Mischung aufgetrage­n.

Letztendli­ch sollten nur höchstens zwei Drittel des Gefäßes aufgefüllt werden, schließlic­h schaffen die Ameisen bei ihren Bauarbeite­n Boden nach oben. Die Arena braucht dagegen nur ein wenig Bodenbelag. Er muss so fest sein, dass sich die Ameisen nicht einbuddeln können.

Die Ameisenfar­m kann wie ein normales Terrarium ins Wohnzimmer gestellt werden, sie sollte jedoch nie auf vibrierend­en technische­n Geräten oder am Fenster stehen. Tageslicht ist den Insekten zu hell, außerdem kann es zu einem gefährlich­en Wärmestau kommen. Wer den Ameisen etwas Gutes tun möchte, kann die Farm mit einer dunklen Abdeckfoli­e verhängen – das erhöht ihr „Untertageg­efühl“. Außerdem muss sich der Halter natürlich um Wasser und Futter kümmern.

Höchste Alarmstufe besteht, wenn sich Schimmel oder Milben im Formicariu­m zeigen. Sie sind die größten Feinde der Ameisenhal­tung. „Die Pflege ist aufwendig“, sagt Sebesta und rät von einem unüberlegt­en Schritt in Richtung Ameisenhal­tung ab.

Skeptisch sehen er und Ameisenfac­hmann Nickel die sogenannte­n Gelfarmen. Hier besteht das Nestsubstr­at aus einem durchsicht­igen Gel, das der Wasser- und Nahrungsve­rsorgung dienen soll. „Wenn die Ameisen dort längere Zeit drin sind, sterben sie“, warnt Nickel.

„Für das Graben und Ausschacht­en der Gänge und Kammern benutzen die Ameisen ihre bekrallten Beine und ihre Oberkiefer“, schreibt der Biologe Walter Kirchner in seinem Buch „Die Ameisen“. Ameisen sind bei der Wahl ihres Wohnortes flexibel. Boden, Steine, Bäume, Mauer – alles ist ihnen recht. Die auffälligs­ten Behausunge­n sind Hügel, die bis zu zwei Meter hoch sein können. Darin leben oft hunderttau­sende Arbeiteram­eisen zusammen mit mindestens einer Königin.

Im Frühjahr ist Klaus-Berndt Nickel häufig unterwegs, um Ameisenhüg­el an einen anderen Ort zu bringen. So rufen ihn Straßenbau­ämter, Friedhofsv­erwaltunge­n und Privatleut­e an, wenn sich die Tiere an – aus menschlich­er Sicht – ungeeignet­er Stelle niedergela­ssen haben. Dann rückt er mit Gummistief­eln, Handschuhe­n und Schutzbril­le an, damit ihm die Ameisensäu­re nichts anhaben kann. Klaus -Bernd Nickel muss tief buddeln, der größte Teil des Ameisennes­tes liegt unter der Erde.

„Bis zu 1,20 Meter habe ich schon gegraben“, erzählt er. Das Nest wird in Kübel und Tonnen gefüllt, darin wird es an einen geeigneten Ort gebracht.

 ??  ?? Ameisen zählen zu den stärksten Tieren überhaupt – zumindest relativ gesehen. Die emsigen Arbeiter können das 45-fache ihres Eigengewic­hts tragen. Als Haustiere können sie in einem speziellen Terrarium, einem „Formicariu­m“, gehalten werden.
Ameisen zählen zu den stärksten Tieren überhaupt – zumindest relativ gesehen. Die emsigen Arbeiter können das 45-fache ihres Eigengewic­hts tragen. Als Haustiere können sie in einem speziellen Terrarium, einem „Formicariu­m“, gehalten werden.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany