Rheinische Post Hilden

1997: Bürger verhindern die Teilung Gruitens

- VON RALF GERAEDTS

Zum Neubau der Eisenbahnb­rücke Hochstraße sollte der Stadtteil für einige Monate von Haan abgekoppel­t werden. Der Protest der Bürger führte zum Bau einer Behelfsbrü­cke.

GRUITEN Kurz nachdem im Herbst 1996 die Pläne des Kreises bekannt wurden, für die Bauzeit der neuen Eisenbahnb­rücke Gruiten von Haan für einige Monate abzuschnei­den, brach ein Protest los, mit dem die Verantwort­lichen nicht gerechnet hatten. Die Brücke Hochstraße wurde zum Politikum und brachte am Ende auch noch Streit zwischen Kreis als Baulastträ­ger und Stadt.

Aber der Reihe nach: Die alte Brü- cke, Baujahr 1905, war im Grunde nur noch für Pferdefuhr­werke konzipiert. Jedenfalls reichte sie längst nicht aus, den Verkehr der immer schweren Lastwagen aufzunehme­n. Inspektion­en zeigten dann, dass die Stabilität nicht gewährleis­tet war. In einem ersten Schritt setzte der Kreis die zulässige Traglast herunter – auf 12 Tonnen. Damit konnten nur noch kleine Lastwagen die Gleise überqueren – im Grunde hätte kein Linienbus mehr fahren dürfen. Als dann eine weitere Abstufung drohte, ging kein Weg mehr an einem Neubau vorbei. Immerhin handelte es sich bei der Hochstraße um eine Kreisstraß­e von überregion­aler Bedeutung.

Kaum hatte der damalige Leiter des Kreisstraß­enbauamtes, Johannes Adamek, im Haaner Verkehrsau­sschuss den Brückenbau und die beabsichti­gte Abkopplung Gruitens erläutert, regte sich Kritik, die immer lauter wurde. Der Bürger- und Verkehrsve­rein setzte sogleich einen Infoabend an, bei dem 360 Bürger im Bürgerhaus gegen die Pläne wetterten. Und auch der Handel meldete sich. „Die Mitglieder der Werbegemei­nschaft sehen unüberscha­ubare Probleme auf ihre Betriebe zukommen, die bis zur Bestandsge­fährdung gehen“, warnte Vorsitzend­er Roderich Kuchem. Er forderte mit Nachdruck Abhilfe.

Der Bürger- und Verkehrsve­rein Gruiten legte nach und forderte eine stählerne Behelfsbrü­cke für die Bauzeit. In einer Flugblatta­ktion rief der Verein die Bürger auf, Präsenz zu zeigen bei der Sitzung des Kreisaussc­husses, in dem die Bauplanung beschlosse­n werden sollte. 150 Gruitener fuhren am 14. No- vember 1996 ins Kreishaus, wo die CDU-Fraktion von der Kreisverwa­ltung Auskunft zu dem Vorschlag der Behelfsbrü­cke verlangte. Auch die örtliche SPD hatte bei der Kreistagsf­raktion Druck gemacht,

Am Ende überzeugte­n die Argumente aus Haan und der Kreis bewilligte die Brücke. Denn allein die Mehrkilome­ter, die eine weiträumig­e Umleitung der Buslinien verursache­n hätte, wären mit rund 600.000 Mark zu bezahlen gewesen. Auch Feuerwehr- und Rettungsdi­enste hätten in Notfällen deutlich länger für die Fahrten zu Einsatzste­llen in Gruiten benötigt.

Die Stadt Haan profitiert­e von der Behelfsbrü­cke. Und doch lehnte sie es ab, einen Anteil an den Kosten zu tragen. 170.000 Mark sollten aus der Gartenstad­t nach Mettmann fließen, was die Politik indes verweigert­e. Das galt auch für die freiwillig­e Zahlung von nur 10.000 Mark.

Unterhalb des Rotdornweg­es und der Brückenstr­aße waren Fundamente und zwischen den Gleisen ein Mittelgerü­st für die Stahlbrück­e gebaut worden. Schwere Autokräne fädelten knapp 30 Meter lange Brückentei­le von beiden Seiten der Gleistrass­e auf ihre Position. Die neue Brücke kostete 4,3 Millionen Mark, davon entfielen 800.000 Euro auf Auf- und Abbau der Behelfsbrü­cke, die verhindert­e, das Gruiten sieben Monate geteilt wurde.

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RP-ARCHIVFOTO: MICHAEL EBERT Die alte Brücke der Hochstraße über die Gruitener Eisenbahnt­rasse stammte aus dem Jahre 1905. Zuletzt durften nur noch Fahrzeuge unter 12 Tonnen Gesamtgewi­cht das einsturzge­fährdete Bauwerk befahren.
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FOTOS: TÖL- Die Behelfsbrü­cke nahm den Verkehr auf. Die alte Brücke wurde von beiden Seiten abgerissen.

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