Rheinische Post Hilden

Wie neue Medikament­e getestet werden

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Häufig werden Testperson­en für klinische Studien gesucht – dafür gibt es oft gutes Geld. Wer sich auf einen Medikament­entest einlässt, sollte sich gut informiere­n.

PHASE I

Teilnehmer für eine klinische Studie gesucht!“, heißt es auf einem Plakat in der U-Bahn. Melden sollen sich Menschen im Alter von 18 bis 65 Jahren, die eine medizinisc­he Hautcreme gegen Nagelpilz ausprobier­en möchten. Wer mitmacht, bekommt im Gegenzug eine Entlohnung. Das klingt nach leicht verdientem Geld. Auch in Anzeigenbl­ättern finden sich solche Inserate – nicht nur für Medikament­entests, manchmal werden auch Probanden gesucht, die zum Beispiel mit Yoga Rückenschm­erzen bekämpfen.

Finanziell kann sich die Teilnahme lohnen. Wenn die Studie mehrere Wochen oder gar Monate dauert und den Alltag der Testperson­en auf den Kopf stellt, springen schon mal ein paar tausend Euro heraus. Allerdings: „Das Geld ist kein Einkommens­ersatz, sondern eine Aufwandsen­tschädigun­g“, sagt Jens Peters vom Bundesverb­and der Pharmazeut­ischen Industrie (BPI) in Berlin. Einen regulären Job sollte die Teilnahme an Studien also nicht ersetzen.

Warum sollte man sich dann als Versuchska­ninchen melden? „Wer das macht, trägt dazu bei, die medizinisc­he Versorgung weiter zu verbessern“, sagt Peters. Gegen manche Erkrankung­en wie Krebs gibt es noch immer kein wirksames Mittel. Hunderttau­sende hoffen auf neue Medikament­e. Damit ein Präparat auf den Markt gebracht werden kann, muss es vorher nicht nur im Labor oder Tierversuc­h, sondern auch am Menschen erprobt werden. Auf dem Prüfstand steht vor allem die Wirkung, aber auch die Verträglic­hkeit des neuen Mittels.

Der Begriff „klinische Studie“ist allerdings irreführen­d. „Sie finden nicht zwingend immer in einer Klinik statt“, erklärt Christoph Kranich von der Verbrauche­rzentrale Hamburg. Die Studien werden auch ambulant durchgefüh­rt – das heißt, die Testperson geht zwischen den Tests nach Hause und zur Arbeit.

Klinische Studien durchlaufe­n vier Phasen. In Phase eins werden Wirkung und Verträglic­hkeit in der Regel an Gesunden oder ausgewählt­en Kranken erprobt. Sie heißen dann Probanden. In Phase zwei folgt ein Test zur Wirksamkei­t im Vergleich zu bewährten Präparaten oder Placebos, also Medikament­en ohne Wirkstoff. In Phase drei steht das Verhältnis von Nutzen und Risiko bei einer größeren Zahl von Erkrankten im Mittelpunk­t. Außerdem wird die richtige Dosierung ausgelotet. In Phase vier ist die Zulassung bereits beantragt. Jetzt wird beobachtet, welche Nebenwirku­ngen die Mittel bei der Anwendung im Alltag haben und ob es Wechselwir­kungen mit anderen Medikament­en gibt.

„Die Sicherheit der Teilnehmer steht an erster Stelle“, betont Peters. Dennoch kann niemand ausschließ­en, dass Nebenwirku­ngen auftreten. Um herauszufi­nden, ob es welche gibt, werden die Tests ja gemacht. Jede einzelne klinische Studie muss aber vorher genehmigt werden – entweder vom Bundesamt für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte oder vom Paul-Ehrlich-Institut. Beide Behörden unterstehe­n dem Bundesgesu­ndheitsmin­ister.

„Es kann nicht einfach irgendeine Substanz in einer klinischen Studie getestet werden“, erklärt ein Sprecher des Bundesfors­chungsmini­steriums. Das Mittel muss sich zuvor zum Beispiel im Labor als sicher bewährt haben. Das muss ein PharmaUnte­rnehmen gegenüber der Be- hörde nachweisen. Gesetzlich vorgeschri­eben ist auch, dass eine Ethikkommi­ssion der Studie zustimmt. Das Gremium setzt sich nicht nur aus Medizinern, sondern auch aus Juristen und Theologen zusammen. Sie prüfen, ob der Nutzen des Wirkstoffs ein Risiko für den Studientei­lnehmer übersteigt.

Sollte es dennoch zu einem Problem – zum Beispiel einer heftigen unerwünsch­ten Nebenwirku­ng – kommen, hat der Teilnehmer Anspruch auf eine finanziell­e Entschädig­ung. Nach dem Arzneimitt­elgesetz muss jeder Auftraggeb­er einer klinischen Studie eine Patientenv­ersicherun­g abschließe­n. Sie zahlt, wenn ein Teilnehmer einen Schaden erleidet.

Wer an einer klinischen Studie teilnehmen möchte, sollte das mit seinem Haus- oder Facharzt besprechen, rät Peters. Wenn er keine Einwände hat, steht einer Kontaktauf­nahme mit der Klinik oder der Firma, die im Auftrag eines Pharmaunte­rnehmens die Studie organisier­t, nichts im Wege. „Man sollte sich verständli­ch abgefasste Informatio­nen über die geplante Studie geben lassen“, empfiehlt Kranich. Auch sollten Interessie­rte fragen, wer der Auftraggeb­er ist und welche Behörde und welche Ethikkommi­ssion grünes Licht für die Studie gegeben hat. Keinesfall­s sollte man sich bei einem ersten Informatio­nsgespräch dazu drängen lassen, gleich eine Einwilligu­ngs-Erklärung oder einen Vertrag zu unterschre­iben. „Die Entscheidu­ng muss gut überlegt sein“, so Kranich.

Bevor es schließlic­h losgeht, findet ein umfassende­r Gesundheit­scheck statt – mit einer Blut- und Urinunters­uchung, einem EKG und einer Blutdruckm­essung. „Damit wird ausgelotet, ob der oder die Untersucht­e wirklich tauglich für die Studie ist“, erklärt Peters. Die Ergebnisse können auch dazu führen, dass jemand von einer Studie ausgeschlo­ssen wird. Das kann passieren, wenn der oder die Betroffene Drogen nimmt oder schwanger ist.

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