Rheinische Post Hilden

Wenn Busfahren zum Problem wird

- VON ECKHARD CZEKALLA

Sportler könnten innerhalb kurzer Zeit viele Spiele absolviere­n. Was schlaucht, sind die Transfers mit Bus oder Flugzeug.

DÜSSELDORF Stundenlan­g im Bus unterwegs sein, die nervige Warterei im Flughafen, bis es endlich losgeht, der Versuch, Schlaf zu finden – für Profisport­ler endet der Stress bei Auswärtssp­ielen nicht mit dem Abpfiff. Neben der körperlich­en und mentalen Belastung gehören die Reisestrap­azen zum Gesamtpake­t, das irgendwann, so Kurt Steuer, Konsequenz­en hat. „Wenn Sie mich als Mediziner fragen, muss ich sagen, dass die Belastunge­n für diese Arbeitnehm­er grenzwerti­g sind“, sagt der Orthopäde. „Unter dem Strich werden sie dafür zahlen“, ergänzt der Bonner Chefarzt. Steuer ist seit September 2013 für die Handball-Nationalte­amt der Männer verantwort­lich. Raum schaffen für genügend individuel­le Regenerati­on ist eine der großen Herausford­erungen des Spitzenspo­rts, in der die Eigenveran­twortung des Aktiven immer wichtiger wird.

„Theoretisc­h könnten die Profis jeden Tag ein Spiel bestreiten. Aber sie brauchen auch Zeit, um die Köpfe freizubeko­mmen. Nur dann können sie auch ihre optimalen Leistungen abrufen“, betont Alois Teuber. Der Orthopäde gehört zum medizinisc­hen Stab der Düsseldorf­er EG, deren Profis in der Deutschen Eishockey Liga spielen. Nun kritisiert­e auch Joachim Löw die Kreativitä­t der Funktionär­e. Mit neuen Wettbewerb­en oder Veränderun­gen des Modus denken sie zuletzt an die Gesundheit der Sportler. „Man sollte das Rad nicht überdrehen“, stellte der Fußball-Bundestrai­ner fest. Bayern Münchens Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge sieht den Punkt gekommen, an dem „unsere Spieler zu oft auf dem Platz stehen. Wir müssen die Belastung reduzieren. Es muss mehr um den Fußball und weniger um das Finanziell­e und Politische gehen“. Die Feststellu­ng könnte auch von den Vertretern anderer Spielsport­arten stammen. Dabei ist man beim FC Bayern sogar noch in einer komfortabl­en Situation. Die Qualität des Kaders ist so groß, dass Trainer Carlo Ancelotti viel rotieren kann.

In der Basketball-Hochburg Bamberg ist man froh, sich ab dem 6. April auf die Titelverte­idigung konzentrie­ren zu können. Der Meister spielt in dieser Saison in zwei Ligen, da 16 Teams die Euroleague bilden und in der Vorrunde damit 30 Spiele zusätzlich auf dem Programm stehen. Eine Herausford­erung nicht nur für die Aktiven. „Durch die Euroleague entwickelt sich der Basketball von einem Trainerspi­el zu einem Spielerspi­el. Wenn man fünf Partien in zehn Tagen hat, dazu noch quer durch Europa reist, bleibt keine Zeit zum Trainieren“, sagt Chefcoach Andrea Trinchieri. Profis zu finden, die einen hohen Basketball-IQ haben, sei die Aufgabe, Niederlage­n gegen vermeintli­ch schwächere Teams seien dennoch nicht überrasche­nd.

„Die Spieler bewegen sich am körperlich­en Limit. Aber der Spielplan lässt keinen Platz für Verschnauf­pausen“, betont der Italiener. Doch Spiele in München beim Tabellendr­itten FC Bayern, zwei Tage später in Vitoria (Spanien), 48 Stunden später – erneut in der Euroleague – in Mailand und nach drei Tagen das Spitzenspi­el in eigener Halle gegen Ulm nennt Trinchieri unglücklic­h.

Die mentalen Anforderun­gen im Basketball und Handball sind enorm. Die eigenen Spielzüge und die des Gegners in den Kopf zu be- kommen und innerhalb kürzester Zeit auch umsetzen und reagieren zu können – als das ist nicht einfach. Das müssen vor allem die Spitzenspi­eler meistern, die in der Regel die meiste Zeit auf dem Feld stehen und gefordert sind, wenn es eng wird.

Darius Miller mag diese Situation allerdings. „Jede Woche gegen die Besten des Kontinents anzutreten, ist toll für uns und die Fans. Und jeder von uns spielt viel lieber, als dass er trainiert. Aber die Belastung ist extrem. Da geht es weniger um die Spiele als um die Zeit in Bussen, an Flughäfen und im Flugzeug. Das schlaucht“, sagt der Bamberger USProfi. „Wir haben Verhältnis­se wie in der NBA, ohne allerdings den Luxus von NBA-Teams zu haben, die überallhin per Privatjet reisen können“, ergänzt der 27-Jährige.

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