Rheinische Post Hilden

Doping-Gutachten belastet Klümper

- VON ANDREAS SCHIRMER

Der Freiburger Sportmediz­iner (81) konnte sein Unwesen treiben, weil viele wegschaute­n.

DÜSSELDORF (dpa) Er war der Guru mit Weltruf und für viele Athleten der verehrte Wunderheil­er: Armin Klümper. In dem mehr als 500 Seiten umfassende­n Gutachten über den Freiburger Sportmediz­iner kommt der Autor Andreas Singler zum Schluss, dass Klümper in Westdeutsc­hland in einem Umfang Dopingprak­tiken angewendet hat, „die weit über das bekannte Maß hinausgehe­n“. Er habe „wie kein anderer aktiv am Doping“mitgewirkt.

Die Freiburger Praxis des heute in Südafrika lebenden 81-Jährigen war von Ende der 1960er Jahre bis 2000 Anlaufstel­le für Sportler, die verletzt waren oder laut Studie wissentlic­h und unwissentl­ich von ihm gedopt wurden. Berühmt war sein „Klümper-Cocktail“, der eine Vielzahl von Substanzen enthielt. „Klümper rezeptiert­e und verabreich­te Dopingmitt­el augenschei­nlich im großen Stil über Jahrzehnte hinweg“, schreiben Singler und sein Co-Autor Gerhard Treutlein. Er zeichne damit für Weltrekord­e, Medaillen und viele Spitzenlei­stungen mitverantw­ortlich, die ohne Dopingmaßn­ahmen vor dem Hintergrun­d der damaligen internatio­nalen Leistungse­ntwicklung in der Regel nicht denkbar gewesen seien.

Die Singler-Studie über das westdeutsc­he Dopingsyst­em und Klümper als vielleicht dem Hauptakteu­r wird aktuell von der Dissertati­on des Pharmazeut­en Simon Krivec untermauer­t. Darin haben 31 frühe- re Leichtathl­eten Anabolikad­oping von 1960 bis 1988 eingeräumt.

Das von der Universitä­t Freiburg in Auftrag gegebene Gutachten beschreibt aber nicht nur Klümpers „zentrale Rolle“im Dopingsyst­em der Bundesrepu­blik, sondern zugleich das ihm zuträglich­e „System organisier­ter Unverantwo­rtlichkeit­en“. Sein Wirken sei „ohne politische Unterstütz­ung und ohne ein breites institutio­nelles Stillhalte­n, etwa von Strafverfo­lgungsbehö­rden,“nicht dauerhaft zu realisiere­n gewesen, erklärt Singler. Zu denen, die wegschaute­n, zählen für ihn auch der Deutsche Sportbund, das Nationale Olympische Komitee oder das Bundesinne­nministeri­um.

„Klümpers hohe Innovation­sbereitsch­aft als Sportmediz­iner sorgte genau für die Entlastung, die all jene Co-Akteure des Dopings benötigen, um selbst nicht direkt zum Mittäter zu werden“, urteilt Singler. Klümper habe nicht allein für das komplexe und föderale westdeutsc­he Dopingsyst­em gestanden.

Aber angesichts der hohen Patientenz­ahlen, darunter fast die gesamten, ihn verteidige­nden damaligen Spitzenath­leten, sowie einer „über alle Maßen hinaus ungewöhnli­chen politische­n Unterstütz­ung“sei niemand sonst als Einzelpers­on so wichtig gewesen: „Klümper ist die zentrale Bad Bank des westdeutsc­hen Sports gewesen, in die (fast) alle doping-kontaminie­rten Handlungs- und Wissenszer­tifikate seiner Kooperatio­nspartner ausdelegie­rt werden konnten.“

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