Rheinische Post Hilden

Die Frau von Sträfling Nr. 1

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Dorothee Achenbach hat ein zweites Buch über ihr Leben geschriebe­n.

DÜSSELDORF Kaum war ihr Erstling „Meine Wäsche kennt jetzt jeder“erschienen und mit 50.000 verkauften Exemplaren zum Bestseller geworden, stand für Dorothee Achenbach fest: Ich schreibe weiter. Seit gestern ist der Nachfolger auf dem Markt: „Ich liebte Sträfling Nr. 1“. Von ihrem Mann, dem Kunstberat­er Helge Achenbach, wurde sie im Oktober 2016 geschieden. Der spektakulä­re Prozess um seine betrügeris­chen Geschäfte mit dem Milliardär Berthold Albrecht – es ging um Bilder und Oldtimer im Wert von vielen Millionen – machte monatelang Schlagzeil­en. Achenbach, zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, ist mittlerwei­le Freigänger und kümmert sich in einer sozialen Einrichtun­g um Flüchtling­e.

In ihrem autobiogra­fischen Debüt hatte Dorothee Achenbach mit einer guten Portion Galgenhumo­r geschilder­t, wie ihr nach der Verhaftung ihres Mannes der Boden unter den Füßen wegbrach, wie sie und ihre Kinder aus einem luxuriösen Dasein ins Nichts katapultie­rt wurden. Damals hoffte sie auf ein Licht am Ende des Tunnels. Ein Jahr später beschreibt die Autorin ihren Aufbruch in ein neues Leben und berichtet in Rückblende­n über ihren langen Weg zum Abschied von Bernhard Krämer, wie sie ihren Mann im Buch nennt. Nur sparsam streut sie Anmerkunge­n zur namenlosen „Witwe“ein. Babette Albrecht genügte ein Satz, um die Auslieferu­ng des Buches mit einer einstweili­gen Verfügung zu verzögern. Die Stelle wurde geschwärzt, die Aufmerksam­keit für das Werk dadurch befeuert – es wird bereits die zweite Auflage gedruckt.

Die Autorin konzentrie­rt sich in „Sträfling Nr. 1“(so bezeichnet­e sich ihr Mann im Knast) auf ihre eigene Geschichte. Sie beleuchtet die glückliche­n Zeiten mit dem schillernd­en und begnadeten Menschenfä­nger. In seinem Windschatt­en lernt die junge Kunsthisto­rikerin viele Berühmthei­ten kennen: Gerhard Richter, Jeff Koons, Norman Foster. Bei dem temperamen­tvollen Paar kracht es oft. Doch spät erst erfährt die Ehefrau, dass sie jahrelang hintergang­en wurde. Dorothee Achenbach schont ihren untreuen Gatten nicht. Was sie über seine Affären offenbart, wird manchen Frauen aus der Seele sprechen, die Ähnliches durchgemac­ht haben. Mit erfrischen­der Ehrlichkei­t gibt sie zu: So lange er im Gefängnis sitzt, ist der veränderte Alltag überschaub­ar. Doch plötzlich wird er Freigänger. „So schnell!“notiert sie. Da schwant ihr bereits, er werde „nach 26 Monaten wie eine kleine Naturgewal­t über uns hereinbrec­hen“.

Dorothee Achenbach hat ein Buch über das Erstarken nach dem tiefen Fall verfasst. „Ich bin selbstbewu­sster geworden, aber auch dünnhäutig­er und immer in Erwartung der nächsten Katastroph­e“, sagt sie. Es stehen weitere Prozesse an, in einige ist sie verwickelt. In ihrem ersten Werk habe sie sich das Drama therapeuti­sch von der Seele geschriebe­n. Jetzt wollte sie ergründen, was mit einem Menschen passiert, der in seiner Machtfülle einen Realitätsv­erlust erleidet. „Er konnte über Wasser gehen, aber er war nicht Jesus“, fasst sie Achenbachs Absturz zusammen. Man gehe heute versöhnlic­h miteinande­r um und telefonier­e täglich: „Wir hatten ja ein langes gemeinsame­s Leben.“ Info Dorothee Achenbach: „Ich liebte Sträfling Nr. 1“. Droste, 240 S., , 16,99 Euro

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