KURZKRITIKEN
Trio Zimmermann spielt „Goldberg-Variationen“ Francis Poulencs A-cappella-Chormusik Eine Sammlung einzigartiger Wörter
Kammermusik Die „Goldberg-Variationen“von Johann Sebastian Bach zählen seit den beiden Einspielungen des großen kanadischen Pianisten Glenn Gould (der mit ihnen berühmt wurde) zum Kanon der Meisterwerke der Musikliteratur. 30 Variationen über eine Aria mit schlichter Melodie und eingängiger Harmoniestruktur. Der Titel geht übrigens auf eine Anekdote zurück und stammt nicht vom Komponisten selbst – er hätte vermutlich wenig Einwände gehabt. Dass es von den „Goldberg-Variationen“auch eine Version für Streichtrio gibt, die der Violinist Dimitri Sitkovetsky erstellt hat, dürfte den Musikfreunden weniger bekannt sein. Diese erlesene Fassung erklingt Morgen, 20 Uhr, in der Düsseldorfer Tonhalle, gespielt von einem Ensemble exzellenter Musiker: Frank Peter Zimmermann (Violine), Antoine Tamestit (Viola) und Christian Poltéra (Violoncello).
Wolfram Goertz Klassik In den vergangenen Jahren hat unser Musikleben einen grandiosen Komponisten wiederentdeckt: den Franzosen Francis Poulenc (1899 bis 1963). Er war Mitglied der „Groupe des Six“in Paris und führender Vertreter des Neoklassizismus, aber sein Rang begründet sich nicht nur in genial verzerrten Stilkopien. Er besaß ein flammendes Verhältnis zur Melodik, er war witzig und ungemein vielseitig. Poulencs Tiefgang ist ungeschlagen.
Gelegentlich ist von Poulencs „charmanter Vulgarität“die Rede, was den ästhetischen Kern seiner Musik nicht trifft. Poulenc war tatsächlich der letzte Melodiker – wer sich durch die Poulenc-Einspielungen der älteren und jüngeren Zeit hört, wird in dieser Erkenntnis heftig unterstützt. Zwar ist Poulencs Schreibe von unerhörter rhythmischer Finesse und klanglicher Giftigkeit, doch überwiegt die melodiöse Komponente.
Die späte Rückwendung des Komponisten zum Katholizismus zählt zu den wunderlichen Kapiteln der Musikgeschichte des 20. Jahrhundert. Wie kam es, dass dieser frivole, spitzzüngige, an Spott und Zynismus interessierter Pariser Dandy, der offen mit seiner Homosexualität kokettierte, plötzlich geistliche Mu- Sachbuch Es gibt Wörter, die gibt’s gar nicht. Oder zumindest nur in einer einzigen Sprache und somit quasi nur einziges Mal in der Welt. In Zeiten der Globalisierung und einer umfassenden Kommunikation ist die Existenz solcher Unikate schon bemerkenswert, die der New Yorker Psychologe David Tripolina jetzt auf staunenswerten 160 Seiten gesammelt hat. Das Buch bietet nicht nur einige Überraschungen, sondern gibt immer wieder auch Anlass, darüber nachzudenken, warum dieses oder jenes Wort bis heute unübersetzbar blieb. So fehlen Entsprechungen etwa für die deutschen Wörter Fremdschämen und Feierabend. Auch das unverfängliche „brav“hat keine Nachahmungen jenseits unserer Grenzen gefunden. Dafür blieb „Bon vivant“den Franzosen überlassen – das einen gelassenen und lebensfrohen Lebensstil bezeichnet, der vielleicht nur unseren westlichen Nachbarn zu eigen ist. Ein Buch für alle, die Sprachen lieben. Lothar Schröder sik komponierte, etwa eine Oper über Nonnen („Dialogues des Carmélites“) oder das „Stabat mater“von 1950?
Nun, Poulenc war immer ein Chamäleon gewesen, in späten Jahren brach aber ein Staudamm. Die Flut äußerte sich indes nicht in tönender Frömmelei, sondern in einer Vermählung von sozusagen schon früher getauften Elementarteilchen seiner Musik: Süße, Lakonie, giftige Farben, anspringende Rhythmik, sphärische Wirkungen.
All dies vereint eine wunderbare neue CD des ebenso wunderbaren britischen Vokalensembles The Sixteen unter Harry Christophers, die für das Label Coro (Note 1) A-cappella-Chormusik Poulencs aufgenommen hat: die acht Motetten, das ergreifende „Ave verum corpus“und schließlich die strenge Messe in G. The Sixteen singt mit lupenreiner Intonation und jenem melodischen Schwingen, das ein Kernmerkmal des großen Poulenc war, ist und bleibt. Wolfram Goertz