Rheinische Post Hilden

Politik in Hilden lehnt TV-Sitzungen ab

- VON CHRISTOPH SCHMIDT

Mehrheit von CDU, SPD und Allianz ist dagegen. Immer mehr Städte nutzen diese Möglichkei­t der Bürgerbete­iligung.

HILDEN Düsseldorf tut es. Neuss, Essen, Köln, Wuppertal, München und Dresden tun es auch. Aber auch kleinere Städte wie Herten (61.000 Einwohner) oder Pfaffenhof­en an der Ilm (25.000 Einwohner) übertragen Ratssitzun­gen via Livestream im Internet. Der Stadtrat in Hilden will das nicht und lehnte deshalb einen Antrag der Bürgerakti­on mehrheitli­ch ab. BA und FDP (drei Stimmen) stimmten mit Ja. CDU, SPD und Allianz (13 Stimmen) votierten mit Nein. Grüne und Bürgermeis­terin Birgit Alkenings enthielten sich der Stimme. Die AfD ist im Hauptaussc­huss nicht stimmberec­htigt.

Die Übertragun­g von Ratssitzun­gen im Internet (Livestream) könne das Interesse an der kommunalen Politik fördern, argumentie­rt BAFraktion­svorsitzen­der Ludger Reffgen und verweist auf das Beispiel vieler anderer Kommunen. Auch Menschen mit Behinderun­gen könnten dann leicht die Ratssitzun­gen verfolgen. Der technische Aufwand sei „verhältnis­mäßig gering und vor allem preiswert“. Die Sitzungen sollten live übertragen und anschließe­nd in einem Videoarchi­v gespeicher­t werden.

So einfach sei die Sache freilich nicht, erläuterte Erster Beigeordne­ter Norbert Danscheidt für die Verwaltung. Laut Geschäftso­rdnung könne der Stadtrat die TV-Übertragun­g beschließe­n. Allerdings müssten sich alle Teilnehmer einer Sitzung (Mandatsträ­ger, Verwaltung­smitarbeit­er und Zuschauer) mit der TV-Übertragun­g einverstan­den erklären, so der NRW-Landesbeau­f- tragte für Datenschut­z und Informatio­nsfreiheit. Die Stadt Monheim erarbeite gerade ein Konzept. Dort seien vier Kameras sowie ein Schnittpla­tz geplant. Von dort sollen die Tagesordnu­ngspunkte sowie die Namen der Vortragend­en eingeblend­et werden. Die meisten Kommunen haben eine kostengüns­tigere Variante gewählt. Die Livestream­s zeigen in der Regel nur zwei Perspektiv­en: Eine Totale mit Blick auf die Sitzungsle­itung sowie eine Großaufnah­me der jeweiligen Redner an einem Stehpult. Vorteil: Die beiden Kameras sind fest installier­t. Ton und Bild müssen nur einmal eingestell­t werden. Nachteil: Alle Redner aus dem Plenum müssen für ihre Beiträge aufstehen und ans Rednerpult treten. Das sei bei der Enge des Sitzungssa­ales im Bürgerhaus (Mittelstra­ße 40) „problemati­sch“, meint der Erste Beigeordne­te. Der Städtebund NRW, die Arbeitsgem­einschaft der kommunalen Spitzenver­bände, hat noch weitere Bedenken. In den Räten der Städte und Gemeinden säßen ehrenamtli­che Politiker, von denen man ein „profession­elles Auftreten“vor laufender Kamera nicht einfordern könne. Der Städtebund fürchtet einen „negativen Einfluss auf die Diskussion­skultur“. Ungeübte Mandatsträ­ger könnten sich durch Livestream­ing unter Druck gesetzt fühlen und nichts sagen, um sich nicht zu blamieren, während geltungssü­chtige Mandatsträ­ger sich zu „Schaufenst­erreden“animiert fühlen können. Diese Stellungna­hme des Städtetags ist inzwischen fast drei Jahre alt. Immer mehr Städte und Gemeinden haben sich seit- dem entschloss­en, die Sitzungen ihrer Kommunalpa­rlamente live im Internet zu übertragen. Das zeigt: Die 2014 geäußerten Bedenken haben sich offenbar nicht bewahrheit­et. Die Debattenku­ltur in den Stadträten hat keinen Schaden genommen. Richtig ist offenbar aber auch: Das Sitzungs-TV hat das öffentlich­e Interesse an der Kommunalpo­litik nicht groß gesteigert. In Essen nutzen zwischen 200 und 800 Bürger das Streaming der Ratssitzun­gen, in Braunschwe­ig zwischen 180 und 480, hat die Verwaltung recherchie­rt. Davon entfielen etwa ein Drittel auf den Live-Stream und zwei Drittel auf die Archivfunk­tion. „Umgerechne­t auf Hilden würde das also 20 bis 80 Nutzer je Ratsfrakti­on bedeuten“, so Dezernent Norbert Danscheidt. „Etwa sieben bis 30 wären dann live dabei.“

Apropos: Als Jugendamts­leiterin Noosha Aubel am 1. März in Potsdam zur Beigeordne­ten gewählt wurde, haben das viele Hildener verfolgt – per Livestream.

 ??  ?? Beim Livestream können Bürger die Sitzungen des Stadtrates über das Internet verfolgen. Das war auch mal in Krefeld (wo das Foto entstand) geplant, ist dort aber noch nicht realisiert worden.
Beim Livestream können Bürger die Sitzungen des Stadtrates über das Internet verfolgen. Das war auch mal in Krefeld (wo das Foto entstand) geplant, ist dort aber noch nicht realisiert worden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany