Rheinische Post Hilden

Jesus mit den blauen Augen

- VON PHILIPP HOLSTEIN

In dem Bibelfilm „40 Tage in der Wüste“spielt Ewan McGregor Gottes Sohn.

Man muss natürlich erstmal verdauen, dass ein 45 Jahre alter Schotte mit blauen Augen, der schon das Drogenwrac­k Mark Renton in „Trainspott­ing“und den ObiWan Kenobi in „Star Wars“gespielt hat, nun der neue Jesus ist. Ewan McGregor tritt in der Bibel-Meditation „40 Tage in der Wüste“als Gottes Sohn auf, und gleich in der ersten Szene sitzt er zerlumpt und mit Perücke verkleidet da und ruft mit viel Pathos: „Vater, wo bist Du?“. Da ist man dann doch leicht irritiert.

Das gewisserma­ßen Wundersame dieser wortkargen Produktion, bei der Rodrigo Garcia, der älteste Sohn des wunderkund­igen Literatur-Nobelpreis­trägers Gabriel Garcia Marquez, Regie führt, ist dann aber, dass man sich von diesem arglosen, angenehm naiven, von Zweifeln verunsiche­rten und durch und durch menschlich­en Jesus gern an die Hand nehmen lässt. Er führt einen vielleicht nicht zur Erleuchtun­g, aber er beseelt den Zuschauer, er gönnt ihm Ruhe.

Erzählt wird die Episode von Jesu Aufenthalt in der Wüste. Im Markus-Evangelium heißt es nach Jesu Taufe: „Danach trieb der Geist Jesus in die Wüste. Dort blieb Jesus vierzig Tage lang und wurde vom Satan in Versuchung geführt. Er lebte bei den wilden Tieren und die Engel dienten ihm.“Der Film hat ein kleines Budget, deshalb konnte man nicht in der Wüste Judäas drehen, man musste im Anza-Borrego-StatePark in Kalifornie­n arbeiten, aber auch die schroffen Berge dort sind nicht dafür gemacht, dass Menschen darin leben. Insofern bleibt die Botschaft trotz Ortwechsel­s klar und universell: Hier sucht jemand Einkehr. Er will aus sich heraustret­en und Gott begegnen in der Stille.

McGregor findet zunächst jedoch nur Satan. Der sieht aus wie er selbst, er ist sein anderes Ich, ein Verführer, ein Lügner, ein Wegweiser in den Abgrund. Um sich abzulenken von dessen Einflüster­ungen hilft Jesus einer Familie beim Hausbau. Der halbwüchsi­ge Sohn der Familie versucht sich vom alttestame­ntarisch durchregie­renden Vater zu befreien, und so wird der Film zu einem Versuch über Väter und Söhne, über den feinen Unterschie­d zwischen Fürsorge und Autorität, der im Himmel ebenso schwierig zu überbrücke­n scheint wie auf Erden.

Das Ereignis an diesem Film sind die Bilder, die Kameramann Emmanuel Lubezki auf die Leinwand bringt. Er wurde ja schon dreimal mit dem Oscar geehrt, für „Gravity“, „Birdman“und „The Revenant“, und seine Landschaft­en in „40 Tage in der Wüste“sind so weit und schön, dass man sie am liebsten zusammensc­hneiden und damit eine Meditation­s-App bauen würde.

Es passt nicht alles zusammen in diesem Film, das ist nicht der große Wurf, auf den man gehofft hatte, aber ihn durchweht ein guter Geist: menschenfr­eundliches Kino. Nach den bombastisc­hen, lauten und brutalen Bibel-Adaptionen von Martin Scorsese, Mel Gibson, Darren Aronofsky und Ridley Scott tut es gut, dass ein Sandalenfi­lm mal auf leisen Sohlen daherkommt. 40 Tage in der Wüste, USA 2015 – Regie: Rodrigo García, mit Ewan McGregor, 99 Min.

 ?? FOTO: DPA ?? Ewan McGregor in „40 Tage in der Wüste“.
FOTO: DPA Ewan McGregor in „40 Tage in der Wüste“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany