Rheinische Post Hilden

Angeklagte jammern über Handschell­en

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Sechs Mitglieder einer Großfamili­e müssen sich wegen Betrugs vor dem Landgerich­t verantwort­en.

KREIS METTMANN (magu) Die Angeklagte­n lümmeln auf ihren Stühlen herum und grinsen. Derweilen sind die Mitschnitt­e ihrer Handygespr­äche zu hören, in denen verunsiche­rte Opfer nicht wissen, was gerade um sie herum geschieht. Ist der Mann am Telefon wirklich ein Mitarbeite­r ihrer Bank? Steht an der Tür tatsächlic­h ein Kriminalbe­amter, um das angebliche Falschgeld zu fotografie­ren? Eines wird dabei schnell klar: Es sind längst nicht nur an Demenz erkrankte Menschen, die der Lage nicht gewachsen sind. Einigen war das Geschehen um sie herum unheimlich. Immer wieder äußerten sie ihre Zweifel – und dennoch ließen sie sich von den Angeklagte­n einschücht­ern. Zu den Opfern zählen Senioren aus dem Kreis.

Es grenzt an Zumutung, mit welcher Perfidie diese Abzockerei von Geld, EC-Karten und Schmuck durchgezog­en wurde. Das wirde schon beim Verlesen der Anklagesch­rift zum Prozessauf­takt deutlich, das Maß des Erträglich­en war arg strapazier­t. In 39 Fällen waren die mutmaßlich­en Täter offenbar mit der „Masche“erfolgreic­h, sich am Telefon als Mitarbeite­r einer Bank auszugeben und vor Falschgeld auf dem Konto zu warnen. Das wiederum sollten die gutgläubig­en Opfer den gleich an der Türe schellende­n „Polizeibea­mten“zur vermeintli­chen Kontrolle übergeben. Wer zuhause kein Bargeld hatte, dem wurde noch großzügig ein Taxi für die Anreise zur Bank gerufen.

Denjenigen, die in Furcht um ihr Erspartes über Herzrasen und Angst klagten, wurde in kaum zu überbieten­der Dreistigke­it gleich per Telefon der „hilfreiche Kollege an der Haustür“in Aussicht gestellt, der sich um Geld und menschlich­e Nöte kümmern werde. Menschlich­e Nöte quälen derzeit wohl vor allem die Angeklagte­n. Einer von ihnen meldete sich lautstark im Gerichtssa­al zu Wort, um die Länge des Verfahrens zu beklagen. Mehrmals in der Woche werde er mit Handschell­en gefesselt von der JVA in Köln zu den Verhandlun­gen nach Wuppertal gefahren. Man solle sich nur mal seine von den Handschell­en malträtier­ten Arme anschauen. Dazu sei er noch Diabetiker und wenn er mit einem Zuckerscho­ck zusammenbr­eche, könne er sich nicht selbst helfen. Bei Gericht angekommen, sitze er dann bis zum Verhandlun­gsbeginn in einer kleinen Zelle.

Dann noch diese ständigen Nachfragen, ob es denn einen Chef der Bande gegeben habe. Man habe doch ausgesagt, dass das nicht so gewesen sein. Und überhaupt: Er habe seit mehr als einem Jahr seine Familie nicht sehen können und wolle nun endlich in die JVA Berlin zurückverl­egt werden. Eine Zumutung sei das alles. „Geständnis­se werden manchmal einfach so dahingesag­t, um eine mildere Strafe zu bekommen.“„Sie müssen sich gedulden, aber wir beeilen uns“, sah sich der Vorsitzend­e Richter offenbar genötigt, die Verzögerun­gen zu entschuldi­gen. Im Mai sollen die Plädoyers gehalten werden.

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ARCHIVFOTO: MAGU Als falsche Polizisten sollen die Angeklagte­n Rentner überredet haben, Bargeld zu übergeben.

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