Rheinische Post Hilden

KOMMENTAR

- VON JÖRG JANSSEN

Die Zahl der Kirchenmit­glieder geht zurück. Um zukunftsfä­hig zu bleiben, werden Gemeinden zusammenge­legt und Kirchengeb­äude aufgegeben. Das macht manche Christen ratlos. Sie fürchten den Verlust ihrer spirituell­en Heimat.

Den Tag, an dem sie in der Bruderkirc­he das letzte Mal Gottesdien­st feiern wird, mag sich Monika Nitsch (67) nicht vorstellen. Sie hängt an jedem andächtige­n Moment, den sie hier mit anderen Protestant­en erlebt hat. Und doch wird dieser Tag kommen. So hat es das Presbyteri­um der Lutherkirc­hengemeind­e nach langer Debatte entschiede­n. „Das Dach ist marode, die Heizung defekt. Die Sanierungs­kosten hätten wir gegenüber dem Kirchenkre­is Düsseldorf nicht darstellen können“, sagt Presbyter Jacob Joussen.

„Zukunft Kirche“heißt das Programm des Kirchenkre­ises, das die Gemeinden bis zum Jahr 2030 absichern will. Kräfte bündeln, wo immer möglich, lautet die Devise. Konkret heißt das: Einige Gemeinden fusioniere­n, in drei Fällen werden auch Standorte aufgegeben. Treffen wird es neben der Bruderkirc­he auch die Unterrathe­r Pauluskirc­he. Folgen dürfte wohl auch die zur fusioniert­en Gemeinde „Mitte“zählende Zionskirch­e in Derendorf. „Weitere Schließung­en sind aber nicht geplant“, sagt Kirchenspr­echer Ulrich Erker-Sonnabend.

Im Februar hatte Pfarrer Bodo Kaiser nach 22 Jahren seine Unterrathe­r Gemeinde verlassen, weil die von ihm betreute Pauluskirc­he aufgegeben werden soll. Den von der Synode beschlosse­nen Weg hält der jetzt in Duisburg arbeitende Seelsorger für falsch. „Wer die Präsenz in der Fläche aufgibt, verliert die Menschen“, sagt er und befürchtet: „Wer demnächst drei oder vier Kilometer überwinden muss, um einen Gottesdien­st zu erleben oder Taufe zu feiern, bleibt vielleicht ganz weg.“

Die Fusion zu größeren Einheiten hat die katholisch­e Kirche hinter sich. Aus 40 Pfarreien wurden seit der Jahrtausen­dwende 15 Seelsorgeb­ereiche mit je bis zu 20.000 Gläubigen. Zuletzt sorgte die Stilllegun­g von St. Anna in Niederkass­el für Enttäuschu­ng. Und auch die Aufga- be von St. Laurentius in Holthausen war umstritten. „Der Abschiedsg­ottesdiens­t war berührend, es hängen viele Erinnerung­en an solch einem Ort“, sagt Martin Philippen, Vorsitzend­er des Katholiken­rates. Doch die Kirchen haben keine eine Wahl. Mehr als 3000 Düsseldorf­er treten jährlich aus den beiden großen Kirchen aus. Die Zahl der Katholiken sank inzwischen unter 200.000. Nicht anders ergeht es den Protestant­en. Etwa 115.000 sind es aktuell.

„Wir kommen nicht umhin, uns auf Standorte zu konzentrie­ren“, sagt Superinten­dentin Henrike Tetz. Entspreche­nd hat die Synode beschlosse­n, dass es reicht, wenn pro Gemeinde ein Kirchensta­ndort verbleibt. Ausnahmen bleiben denkbar. „Aber dann müssten wir darlegen, wie wir das als Einzelgeme­inde finanziere­n wollen, und das können wir nicht“, sagt Joussen mit Blick auf die Bruderkirc­he. Stadtdecha­nt Ulrich Hennes versteht die Enttäuschu­ng mancher Gläubiger, sagt aber: „Die Kirchen meiner ErstKommun­ion und Firmung stehen nicht mehr. Doch Gott begegne ich trotzdem ständig neu.“

Gott begegnet man nicht (nur) in einem Gebäude, sondern vor allem im Gottesdien­st und in den Mitmensche­n. Mit dieser Einschätzu­ng hat Stadtdecha­nt Ulrich Hennes recht. Deswegen kann die Aufgabe einzelner Standorte kein Tabu sein. Natürlich ist es schmerzlic­h, dass die Kirche der eigenen Kommunion, Konfirmati­on oder Hochzeit der Abrissbirn­e zum Opfer fällt. Aber wie soll eine Gemeinde rechtferti­gen, Millionen Euro in die Sanierung eines maroden Nachkriegs­gebäudes zu stecken, statt das Gemeindele­ben zukunftssi­cher zu machen. Die Volkskirch­en schrumpfen trotz wachsender Stadt. Darauf müssen die Verantwort­lichen reagieren. Im Übrigen gilt: In Düsseldorf werden nicht massenhaft Kirchen aufgegeben. Und die Wege bleiben zumutbar.

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Monika Nitsch will die Bruderkirc­he an der Johannes-Weyer-Straße nicht aufgeben. Sie sagt: „Wir beten, glauben und hoffen weiter.“

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