Rheinische Post Hilden

Pina Bausch für eine neue Generation

- VON MARION MEYER

In Wuppertal haben die Proben für eine Neuaufführ­ung der „Arien“begonnen. Premiere ist im Mai.

WUPPERTAL Ein Tänzer rennt über die Bühne, eine Tänzerin folgt ihm, schreit: „Scott!, Scott!“Er bleibt stehen, lässt seine Arme um den Körper kreisen, macht ein paar Schritte, bevor er weiterrenn­t, immer noch verfolgt von der Frau. Weitere Tänzer folgen ihrem Beispiel, die Bühne ist bevölkert mit Paaren, die nicht zusammenko­mmen.

Was wie Chaos aussieht, ist ein präzise getimtes choreograp­hisches Geflecht, das Pina Bausch 1979 für „Arien“kreierte. Es ist eines der bemerkensw­ertesten Stücke der Erfinderin des Tanztheate­rs, in dem auch ein täuschend echt aussehende­s Nilpferd vorkommt. Zurzeit arbeitet die Compagnie in Wuppertal an einer Neueinstud­ierung – eine Riesen-Herausford­erung für Tänzer und Theater. Auch wegen der Besonderhe­it des Stücks: Fast die komplette Bühne steht unter Wasser. Noch finden die Proben ohne Wasser in der Lichtburg statt, jenem legendären Wuppertale­r Kino, das schon Bausch nutzte.

Auf den Monitoren am Rand der Probenbühn­e können die Tänzer ihre Positionen und Bewegungen abgleichen mit früheren Aufführung­en. Es existieren Regiebüche­r von Pina Bausch, aber die Videos sind unersetzli­ch. 20 Tänzer studieren „Arien“ein, darunter viele neue Gesichter. Immer noch strömen Nachwuchst­alente aus aller Welt zum Vortanzen nach Wuppertal. 2009 starb die berühmte Choreograp­hin, doch seinen Ruf hat sich das Tanztheate­r erhalten. Aufführung­en und Gastspiele sind fast immer ausverkauf­t. Viele Tänzer haben das Pensionsal­ter erreicht, ein Verjüngung­sprozess ist im Gange.

Jo Ann Endicott ist eine Solistin der ersten Stunde und kam mit Pina Bausch 1973 nach Wuppertal. Mit ihrer temperamen­tvollen Art prägte sie viele Stücke. Auch mit 67 Jahren ist die Australier­in noch dem Tanztheate­r verbunden und leitet nun die Proben mit der ehemaligen Tänzerin Benedicte Billiet. Endicott hat damals und in der letzten Aufführung­sreihe im Jahr 2000 die Hauptrolle getanzt, die Frau, die mit dem Nilpferd flirtet und mit ihm baden geht. Jetzt überträgt sie die Rolle auf die junge Breanna O’Mara, die seit drei Jahren zum Ensemble gehört. Für die Wahl von O’Mara war die Persönlich­keit der 28-Jährigen ausschlagg­ebend. „Trägt sie die Farben in sich, um eine solche Rolle stemmen zu können“, habe sich Endicott gefragt und sich für die Amerikaner­in entschiede­n. Schließlic­h stehe man bei Pina Bausch nicht nur in einer Rolle auf der Bühne, sondern als Persönlich­keit mit seinen Ängsten, Hoffnungen und Sehnsüchte­n.

Während der Probe gibt es immer wieder Phasen, in denen die Tänzer allein oder in Paaren Bewegungsf­olgen üben. Dann trainieren Endicott und O’Mara Teile eines Solos, in dem die junge Tänzerin herzergrei­fend schluchzen muss. „Es kommt auf das Gefühl an“, erklärt Endicott. Sie erinnert sich genau an die Zeit der Entstehung von „Arien“. „Es war eine schwere Geburt“, sagt sie über die Proben. Wie immer hat Pina Bausch sich mit Fragen ihrem Thema genähert. In dem Stück geht es um Trauer und Abschied, aber auch um Liebe, die oft unerwidert bleibt. „Ich habe alles noch in mir drin“, erzählt Endicott. „Wenn ich die Musik höre, dann kommt alles von allein.“ Info Von der Autorin ist eine Pina-BauschBiog­rafie erschienen: „Tanz kann fast alles sein“, Bergischer Verlag. Aufführung­en von „Arien“am 18., 19., 21., 22., 24., 25., 27., 28. Mai.

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