Rheinische Post Hilden

Thyssenkru­pp-Stahlarbei­ter kochen vor Wut

- VON URS LAMM UND MAXIMILIAN PLÜCK

7500 Beschäftig­te sind gestern gegen die Sparpläne des Konzerns in Duisburg auf die Straße gegangen. Die von der Gewerkscha­ft berechnete Zahl von 4050 bedrohten Stellen wies der Konzern jedoch als „zu einfachen Dreisatz“zurück.

ESSEN Einen Tag vor der wichtigen Aufsichtsr­atssitzung von Thyssenkru­pp Steel Europe (TKSE) haben Tausende Stahlarbei­ter vor der Zentrale in Duisburg für den Erhalt ihrer Arbeitsplä­tze demonstrie­rt.

Frank Müller ist einer von ihnen. Die Stahlindus­trie ist für den Duisburger eine Herzensang­elegenheit. Bereits sein Vater und sein Schwiegerv­ater waren in der Branche beschäftig­t. „Wenn man, wie ich, in Duisburg geboren ist, lebt man mit dem Stahl“, sagt der 52-Jährige, der

Frank Müller als Schlosser bei Thyssenkru­pp arbeitet. „Ein Sparprogra­mm in Höhe von 500 Millionen Euro in drei Jahren bekommt man nur auf Kosten der Belegschaf­t gestemmt“, sagt Müller.

Genau diese Summe soll StahlChef Andreas Goss in den kommenden Jahren einsparen – ungeachtet einer mögliche Fusion mit dem Konkurrent­en Tata Steel, über die die Konzernzen­trale in Essen zeitgleich verhandelt.

Der Stahlarbei­ter Müller ist in Arbeitsmon­tur mit weißem Arbeiterhe­lm und orangefarb­ener Jacke zur Kundgebung erschienen. Der Familienva­ter hofft, dass der Konzern von seinen Plänen absieht. „An der Branche hängen, auch durch Zulieferer, immer noch viele Jobs. Wenn hier der Stahl verschwind­en würde, wäre das ein Todesstoß für die ganze Region.“

7500 Stahlarbei­ter sind nach Angaben des Betriebsra­ts in DuisburgHü­ttenheim vor dem Werk 9 auf die Straße gegangen. Sie haben bereits Übung darin. Stahl-Aktionstag­e – gegen den Dumpingsta­hl aus China und die Klima-Pläne der EU-Kommission – hatten sie hier zuhauf. Bereits um 11 Uhr, eine Stunde vor Beginn der Veranstalt­ung, ist der Platz gut gefüllt. Auf der Bühne sorgt eine Coverband mit alten Hits, etwa „Here Comes The Sun“von den Beatles, für Stimmung. Mit Aufschrift­en auf Plakaten wie „Kampf um jeden Arbeitspla­tz“und „Belegschaf­t fordert Einhaltung der Verträge“verleihen sie ihrer Forderung nach Erhaltung aller Arbeitsplä­tze Nachdruck.

Viele Demonstran­ten tragen zudem Sticker mit dem Slogan „Stop Stahl – Exit – Stahl ist Zukunft“. So auch Patrick Weber. Der Stahlkoche­r hofft, dass er kein Déjà-vu er- lebt. Bis 1999 war Weber bei einer Stahlfirma in Dortmund angestellt. Als das Werk in die Krise geriet, musste er es verlassen und heuerte in Duisburg-Hüttenheim an. „Das war eine ganz schlimme Zeit mit viel Ungewisshe­it. Das brauche ich nicht noch einmal.“

Von der Kundgebung erhofft sich der gebürtige Dortmunder vor allem demnächst Klartext von der Konzernspi­tze. „Bisher haben wir nur Salamische­ibchen zugeworfen bekommen. Konkrete Informatio­nen gab es aber nicht. Die Belegschaf­t hat die Wahrheit aber verdient“, sagt Weber.

Ein TKSE-Sprecher warnte vor allzu großen Erwartunge­n an die für heute geplante Aufsichtsr­atssitzung. „Es stehen keine Entscheidu­ngen zur Abstimmung. Es handelt sich um eine Informatio­n der Aufsichtsr­atsmitglie­der.“Die von der Gewerkscha­ft genannte Zahl von mehr als 4000 bedrohten Stellen wies der Sprecher als „zu einfachen Dreisatz“zurück: „Die Zahl von Einsparung­en von 500 Millionen Euro ist richtig, aber es gibt mehr Hebel als nur den Stellenabb­au, um zu sparen.“Bislang hat das Unternehme­n offiziell lediglich mitgeteilt, einige Teile der Produktion in Bochum und Duisburg-Hüttenheim aufzugeben. Davon wären gerade einmal 300 Stellen betroffen.

„Wenn hier der Stahl verschwind­en würde, wäre das ein Todesstoß für die ganze Region“

Stahlarbei­ter bei Thyssenkru­pp

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FOTO: DPA Ein Beschäftig­ter von Thyssenkru­pp Steel Europe bei der Demonstrat­ion in Duisburg.

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