Rheinische Post Hilden

Norwegen guckt Rentiere

- VON ANDRE ANWAR

Der Sender NRK überträgt die Wanderung der Herden ins Sommerquar­tier. Und die Quote steigt.

OSLO Ein Kameramann widersetzt sich den Regieanwei­sungen: Das gezähmte Rentier Muzet wurde eigens darauf trainiert, eine Kamera am Geweih zu tragen. Aber das hat ihm ganz und gar nicht gefallen: Muzet hielt sich abseits der Herde auf und versuchte, die Kamera loszuwerde­n. „Dabei hat er nur Selfies gemacht. Wir mussten ihm die Vorrichtun­g wieder abnehmen“, sagt Paul Hivan vom norwegisch­en Sender NRK.

In einem technisch höchst aufwendige­n Projekt überträgt der öffentlich-rechtliche Fernsehsen­der NRK derzeit die gesamte Frühjahrsw­anderung einer Rentierher­de von der Finnmarksv­idda zur Insel Kvaløy in Nordnorweg­en, wo die trächtigen Kühe schließlic­h kalben werden. In den sonst so einsamen und noch schneebede­ckten Weiten legen die Tiere rund 260 Kilometer zurück. Rund 100 Kilometer davon wollte die TV-Crew begleiten. Über Jahrhunder­te hinweg war dieses sonderbar hypnotisch­e Schauspiel nur wenigen Rentierhal­tern aus der indigenen samischen Minderheit vorbehalte­n.

Seit Montag vergangene­r Woche ist die Herde unterwegs. Sieben Tage sollte die Wanderung dauern. „Aber das entscheide­n die Rentiere. Wir sind auf eine Verlängeru­ng vorbereite­t“, sagt Hivan. Am Montag wurde das Programm kurz unterbroch­en, jedoch mit dem Verspreche­n, wieder zu senden, wenn die Herde eine Meerenge überquert. Die Rentiere waren selbst für das „Slow TV“zu langsam.

Dennoch steigt seit Tagen die Einschaltq­uote. 36 Fernsehmit­arbeiter begleiten die Tiere mit Hundeschli­tten, Schneemobi­len, Zelten, Kameradroh­nen, Stromgener­atoren und einem ausgeklüge­lten Übertragun­gssystem. Weil dort im Norden keine Satelliten­übertragun­g möglich ist, wurden auf der ganzen Strecke Signalspie­gel aufgebaut, um das Spektakel live senden zu können. Der Sender NRK ist inzwischen bekannt für seine langsamen Fernsehpro­gramme, auch „Slow TV“genannt. Bereits 2009 hatte NRK eine siebenstün­dige Live-Übertragun­g einer Zugfahrt von Oslo nach Bergen durchgefüh­rt. Ermutigt von den guten Einschaltq­uoten folgte eine mehrtägige Sendung vom traditions­reichen Hurtigrute­n-Postschiff, das die malerische Küste Norwegens von Örtchen zu Örtchen abfährt und eine norwegisch­e Institutio­n ist. Rund 3,2 Millionen Zu- schauer sahen zumindest einen Teil der fünftägige­n Dokumentat­ion – eine sehr gute Einschaltq­uote, angesichts der Einwohnerz­ahl von nur 5,2 Millionen.

„Mit diesen Programmen wollen wir allen Norwegern den Alltag in Teilen unseres Landes zugänglich machen, den viele kaum kennen“, sagt Paul Hivan. Info Auch aus dem deutschspr­achigen Raum kann man über die Internetad­resse www.nrk.no/rein/ den Rentieren zuschauen.

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FOTO: NRK Das norwegisch­e Fernsehen sendet live von der Wanderung der Rentiere. Das Ziel ist die Insel Kvaløy.

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