Rheinische Post Hilden

Rillenpfla­ster leitet Blinde ins Blumenbeet

- VON RALF GERAEDTS

Bei der Gestaltung des Sparkassen-Vorplatzes war nur ein Kompromiss umsetzbar.

HAAN Was wie eine Fehlplanun­g aussieht, ist ein in Stein gepflaster­ter Kompromiss. Das „taktile Pflaster“auf dem Gehweg der Kaiserstra­ße führt im Bereich des Sparkassen­Vorplatzes geradewegs in ein Blumenbeet. Auf diesen Missstand machten die Behinderte­nbeauftrag­ten in ihrem Bericht aufmerksam, der kürzlich im Sozialauss­chuss vorgelegt wurde.

Wie funktionie­rt ein taktiles Pflaster? Das Tiefbauamt ist per Ratsbeschl­uss gehalten, bei Neuanlage von Gehwegen Pflasterst­eine einzusetze­n, die es Sehbehinde­rten ermögliche­n, sich mit dem Taststock zu orientiere­n. Noppenfeld­er zeigen an, dass sich im Umkreis bald etwas verändert. Die Rillen zeigen an, in welcher Richtung der Weg weiterläuf­t. Im Falle der Kaiserstra­ße liegt das Problem unter anderem in den Eigentumsv­erhältniss­en.

Was sagt die Stadt? Torsten Fischer vom Tiefbauamt erklärt, dass das Gelände des Sparkassen-Vorplatzes im Eigentum des Geldinstit­utes stehe. Die Sparkasse habe die Gestaltung bezahlt und auf ihrem Gelände kein taktiles Pflaster haben wollen. Damit die (städtische­n) Steine dann nicht irgendwo enden, sei ein Kompromiss gesucht worden, der in den Gestaltung­splan der Bank hineingepa­sst habe. Das Rillenband führe eigentlich zur Ampel hin. Ein Sehbehinde­rter werde auch das Verkehrsge­räusch zur Orientieru­ng verwenden, sagt Fischer. Und eben nicht ins Blumenbeet laufen. „Das ist nicht ideal – das wissen wir. Aber es war nicht anders möglich“, bedauert der Tiefbau-Experte.

Wie sieht die Stadt-Sparkasse die Angelegenh­eit? Zur Vorplatzge­staltung habe es einen Abstimmung­stermin gegeben, an dem das Tiefbauamt und auch der Behinderte­nbeirat vertreten war. „Es ist am Ende so gestaltet worden, wie das einvernehm­lich vereinbart worden ist“, erklärt Nina Schmitz-Steingröve­r, Sprecherin der Stadt-Sparkasse. Die Planung sei am Ende auf das Sparkassen-Grundstück fokussiert geblieben. Denn die Stadt-Sparkasse dürfe ja keine städtische­n Aufgaben übernehmen. Ende 2014 war damit begonnen worden, den Altbau der Sparkasse zu modernisie­ren und um einen Neubau für die Schalterha­lle zu vergrößern. Zugleich entstanden ein Bäckerlade­n, und das Eckhaus wurde neu errichtet. Im Sommer vorigen Jahres war das Gesamtproj­ekt vollendet.

Was sagt eine Sehbehinde­rte? Gaby Bongard, eine der drei Behinderte­nbeauftrag­ten der Stadt Haan, ist stark sehbehinde­rt. Sie hat einen Führhund und ist mit dem Taststock unterwegs. Sie erklärt, wie sich eine blinde Person anhand des Pflasters orientiert. Ein Aufmerksam­keitsberei­ch mit Noppen zeige an, dass sich in anderthalb Metern Entfernung etwas verändere. Die Rillen der weißen Steine zeigen die Richtung an. An der Sparkasse bestehe das Problem weniger für Menschen, die die Ampel zur Post überqueren wollen, sondern für diejenigen, die in Richtung Sparkasse laufen.

Gibt es eine Lösung? Das Problem könnte nach Auffassung von Gaby Bongard relativ einfach entschärft werden. „Wenn die letzten Steine der Rillen-Reihe durch Noppen ersetzt werden, wüsste man, dass gleich eine Änderung – die Umrandung des Blumenbeet­es – kommt. Es wäre aber auch denkbar, die letzten Rillenstei­ne um 90 Grad zu drehen. Dann wäre klar, dass der Weg dort nicht mehr weitergeht.“

Was sagt der Behinderte­nbeauftrag­te? Grundsätzl­ich bindet das Tiefbauamt die Behinderte­nbeauftrag­ten in Gestaltung­sfragen ein. Dieter Smolka erklärt, das Trio der Behinderte­nbeauftrag­ten fühle sich gut einbezogen. Erst am Dienstag habe es ein ausführlic­hes Gespräch im Tiefbauamt über den barrierefr­eien Umbau von fünf Bushaltest­ellen gegeben. Im Falle der Kaiserstra­ße sei erst jetzt klar geworden, dass der angesproch­ene Bereich gar nicht im Eigentum der Stadt Haan steht. Auch er regt ein Aufmerksam­keitsfeld vor dem Blumenbeet oder eine Drehung der Rillenstei­ne an.

Was wird sonst noch getan? „Wir glauben, dass unsere Anregungen zur Gestaltung der Barrierefr­eiheit gern aufgegriff­en werden“, sagt Dieter Smolka. Torsten Fischer bestätigt das mit einer ganzen Liste von Umbauten. Auf dem Gehweg an der Königstraß­e habe die Stadt mit dem speziell verlegten Pflaster angefangen. Beim Kreisverke­hr vor der Felsenquel­le, an Kreuzungsp­unkten entlang der neu gestaltete­n Dieker Straße, bei Querungshi­lfen in Höhe Bahnhof, Aldi Unterhaan und auf der Bahnhofstr­aße in Höhe Luisenund Jägerstraß­e sei Orientieru­ngspflaste­r verlegt worden. „Wir gehen auf die Belange der mobilitäts­eingeschrä­nkten Personen ein“, stellt Fischer klar. Vor der Sparkasse habe es aber keinen Sinn gemacht, die Pflasterli­nien mitten auf der Fläche enden zu lassen. Er betont noch einmal: „Das ist da nicht aus einer Laune entstanden. Den Kompromiss mussten wir einfach schließen.“Mehr Einfluss habe die Stadt da nicht gehabt.

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RP-FOTO: OLA Gaby Bongard zeigt die Problemste­lle: Das eine Ende des weißen Pflasterba­ndes führt zum Ampel-Überweg, das andere ins Blumenbeet.

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