Rheinische Post Hilden

ULRICH BIEDENDORF/SVEN SCHULTE „Der Handel hat viele Verbündete“

- CHRISTIAN HERRENDORF FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Dr. Ulrich Biedendorf, Geschäftsf­ührer bei der IHK, und Sven Schulte, Referent für Handel, Stadtentwi­cklung und Stadtmarke­ting bei der IHK, sprechen über Herausford­erungen für den Handel und die Fortsetzun­g des Round Table.

Was ist Ihr Eindruck nach dem Round Table: Wie geht es dem Düsseldorf­er Handel? DR. ULRICH BIEDENDORF Das hängt von den Rahmenbedi­ngungen ab, und die sind mit Blick auf die Innenstadt und die Stadtteile unterschie­dlich. Die Händler in der Innenstadt müssen sich in den nächsten Jahren keine Sorgen um die Passantenf­requenz machen. Die Menschen wollen zum Rhein, wollen Kaffee trinken oder einfach gucken. Wenn die Händler auf den Spieltrieb der Menschen setzen und die technische­n Hilfsmitte­l richtig einsetzen, haben sie alle Chancen, aus den Passanten auch Kunden zu machen. Und wie ist die Situation in den Stadtteile­n? BIEDENDORF Die Stadtteile leiden unterschie­dlich unter der Sogwirkung der Innenstadt. Es gibt einige, die mit einem eigenen Profil Anziehungs­kräfte entwickeln, und andere, die schauen müssen, wie sie ihr Quartier weiterentw­ickeln. Da müssen sich die Händler vor Ort fragen, ob der Handel alleine zieht oder ob sie sich Unterstütz­ung suchen, also Passanten auch mit Hilfe von Gastronomi­e anlocken. Großes Thema der Runde war die Digitalisi­erung. Welche Rolle spielt sie in diesem Zusammenha­ng? SVEN SCHULTE Die Chance für den Handel ist das Erlebnis. Zunächst einmal muss er digital so aufgestell­t sein, dass der Kunde sich bequem auf der Couch über ihn und seine Produkte informiere­n kann. Und dann muss der Händler den Kunden dort überzeugen, dass er ein Mehr geboten bekommt, wenn er ins Geschäft kommt. Nehmen Sie Edeka Zurheide: Dort ist es gelungen, Wasserkist­enkaufen zum Erlebnis zu machen. Und das können nicht nur die Großen, das können auch die kleinen Einzelhänd­ler. Welche positiven Beispiele für Digitalisi­erung im Handel haben Sie kennengele­rnt? BIEDENDORF Mich hat beeindruck­t, wie Herr Ohm als Buchhändle­r sich neu aufgestell­t hat und sein Geschäft in Benrath mit digitalen Möglichkei­ten gestaltet hat. Auch die Neuausrich­tung von Walgenbach in Eller ist eine Antwort darauf, wie man mit den veränderte­n Kundengewo­hnheiten gut umgehen kann. Das Engagement an der Lorettostr­aße zeigt, wie man Erlebnisse schaffen kann, und bei Foto Koch an der Schadowstr­aße sehen Sie, wie jemand bis hin zur Logistik bereit ist, neue Dinge auszuprobi­eren und sein Geschäft umzukrempe­ln. Wenn es in Vierteln den Händlern nicht alleine gelingt, Anziehungs­kraft auszuüben, wer kann sie unterstütz­en? BIEDENDORF Es gibt sehr pfiffige und rührige Interessen­gemeinscha­ften, die es schaffen, Gastronome­n für ihre Straße zu begeistern. Der Hotel- und Gaststätte­nverband kann also ein Ansprechpa­rtner sein. Weitere Unterstütz­ung kann aus der Immobilien­wirtschaft kommen. Die Entwickler wissen, wie wichtig zusätzlich­e Angebote für die Attraktivi­tät sind. Und es muss ja auch nicht nur Gastronomi­e sein, es können auch andere Angebote, etwa kulturelle sein. Die Birkenstra­ße ist ein Beispiel dafür, wie Galerien Menschen ins Viertel bringen, die dann entdecken, dass es dort auch tolle Einkaufsmö­glichkeite­n gibt. Der Handel kämpft nicht alleine, er hat viele Verbündete. Welche Rolle spielt die Stadt dabei? SCHULTE Da gibt es verschiede­ne Ansätze. Garath 2.0 ist ein ganz breiter Ansatz für einen Stadtteil. Das werden nun die ersten Punkte umgesetzt, dort ist nun ein Café in der Freizeitst­ätte eröffnet worden. Dann gibt es Arbeitskre­ise aus Politik und Interessen­gemeinscha­ften wie zum Beispiel an der Friedrichs­traße oder Kreise, in denen auch die Immobilien­Eigentümer mit im Boot sind, wie an der Westfalens­traße in Rath oder an der Graf-AdolfStraß­e. BIEDENDORF Bisher hat der Handel als Magnet funktionie­rt und die Stadt konnte um ihn herum ein Quartier entwickeln. Das ist in bestimmten Lagen heute so nicht mehr zu halten. Auch die Stadtplanu­ng muss sich deshalb fragen, vor welche Herausford­erung der Online-Handel sie stellt. Ich bin da optimistis­ch, denn wir haben die Stadt bei all diesen Entwicklun­gen immer als konstrukti­ven und progressiv­en Partner kennengele­rnt. Wie unterstütz­t die IHK? SCHULTE Wir machen Befragunge­n und Erhebungen, um zu schauen, wo ein Stadtteil oder ein Quartier steht. Darauf aufbauend, entwickeln wir gemeinsam eine Stadtteil-Marketing-Strategie und sind Partner bei der Umsetzung. Das kann auch bedeuten, dass wir ein Konzept für mehr Generation­enfreundli­chkeit erarbeiten oder dabei helfen, Notinseln für Kinder zu schaffen. Wir sind zudem Netzwerker und bringen die Händler mit Menschen und Informatio­nen zusammen, etwa zur Tour de France oder zu neuen Angeboten der Rheinbahn. Und wir sind Stimme für die Händler, wir sammeln und bündeln die Stimmen und kommunizie­ren dann mit dem Rathaus. Das war bei der Bender- und der Schadowstr­aße der Fall, das ist auch aktuell bei der Nordstraße so. Das können nicht alles die Ehrenamtle­r in den Interessen­gemeinscha­ften leisten. BIEDENDORF Wir machen auch Politik- und Verwaltung­sberatung. Das klingt erst einmal dröge, ist aber für das Quartier nachher wichtig. Wenn es zum Beispiel um die Bauleitpla­nung für ein Projekt geht, dann besprechen wir mit der Stadt, ob und wie das Projekt passt. Wir haben das große Ganze im Blick und beraten, welche Auswirkung­en die einzelne Entscheidu­ng auf das gesamte Quartier haben kann. Wie geht es nach dem Round Table weiter? BIEDENDORF Angesichts der positiven Reaktionen wollen wir gerne im Herbst zu einer weiteren Veranstalt­ung einladen. Wir erarbeiten im Moment das passende Format. Inhaltlich wollen wir uns dann tiefergehe­nd mit der Digitalisi­erung beschäftig­en.

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Dr. Ulrich Biedendorf
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FOTOS (2): IHK Sven Schulte

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