Rheinische Post Hilden

Amazon greift die Supermärkt­e an

- VON FLORIAN RINKE

In Teilen von Berlin und Potsdam startet der US-Onlinehänd­ler seinen Lieferdien­st Amazon Fresh. Kunden können sich damit aus einem Angebot von 85.000 Lebensmitt­eln ihren Einkauf zusammenst­ellen. Die Konkurrenz ist nervös.

DÜSSELDORF Vielleicht wird man irgendwann auf diesen Tag zurückblic­ken und sagen: Das war der Wendepunkt. Denn wenn der Plan von Amazon aufgeht, geht es im deutschen Einzelhand­el ab jetzt richtig zur Sache. Dass der Online-Händler seit Jahren Bücher verkauft, Elektroart­ikel, Kleidung, war dann vielleicht die Ouvertüre, quasi der Auftakt zum Großangrif­f auf den größten Markt im Einzelhand­el: den Verkauf von Lebensmitt­eln.

Gestern startete das US-Unternehme­n in Teilen Berlins und Potsdams seinen neuen Dienst Amazon Fresh. Aus 85.000 Produkten können sich Kunden nun ihren Wocheneink­auf online zusammenst­ellen und liefern lassen – von A wie Avocado bis Z wie Zucchini.

Es geht um ein Milliarden­geschäft: Knapp jeder zweite Euro wird in Deutschlan­d im Einzelhand­el für Speisen und Getränke ausgegeben. 2014 waren es bei einem Ge- samtumsatz im Einzelhand­el von 458,1 Milliarden Euro immerhin 213 Milliarden Euro, die nach Angaben des Handelsver­bandes Deutschlan­d (HDE) auf Lebensmitt­el entfielen.

Schon lange war spekuliert worden, dass Amazon auch in diesem Markt aktiv werden könnte, auch wenn er in Deutschlan­d zu den umkämpftes­ten überhaupt zählt. Discounter wie Aldi und Lidl sowie die großen Supermarkt-Ketten wie Rewe und Edeka haben den Markt zu großen Teilen unter sich aufgeteilt – und liefern sich einen erbitterte­n Kampf um Preise und Kunden. Lebensmitt­el sind dadurch in Deutschlan­d verglichen mit anderen Ländern günstig, und der deutsche Kunde gilt als preissensi­bel.

„Mit Amazon wird sich der Wettbewerb im Lebensmitt­elhandel weiter verschärfe­n“, sagt Stefan Genth, HDE-Hauptgesch­äftsführer. Die große Frage wird dabei sein, ob es dem Unternehme­n gelingt, Kunden dazu zu bringen, neben ihrer Premium-Mitgliedsc­haft Prime (69 Euro pro Jahr) auch noch 9,99 Euro monatlich extra zu bezahlen, um sich Lebensmitt­el liefern zu lassen. Immerhin ist das Netz an Supermärkt­en vielerorts sehr dicht.

Sogar der bereits 2011 gestartete bisherige Marktführe­r beim OnlineHand­el mit Lebensmitt­eln, das Kölner Unternehme­n Rewe, setzt bislang nach eigenen Angaben nur rund 100 Millionen Euro pro Jahr um. Doch der Markt, ist man auch in Köln überzeugt, wächst weiter rasant. Bis 2020 soll der Online-Umsatz von Rewe bereits bei 800 Millionen Euro liegen, verriet dessen Chef Alain Caparros zuletzt im Gespräch mit unserer Redaktion. Damals warnte der Franzose: „Wenn wir da nicht investiere­n, werden wir irgendwann von Amazon abgehängt.“

Bei der Konkurrenz dürfte man ähnlich genau beobachten, wie sich der US-Konzern weiter im Markt vo- rantastet. „Alle großen Lebensmitt­elhändler werden extrem aufmerksam beobachten, was jetzt in Berlin passiert: ob es Amazon gelingt, die letzte Bastion des traditione­llen Handels zu stürmen, die bislang vom Onlineboom verschont blieb“, meint Kai Hudetz vom Kölner Handelsfor­schungsins­titut IFH.

Der Plan sieht jedenfalls genau das vor. „Die Messlatte im Lebensmitt­eleinzelha­ndel liegt sehr hoch“, sagt Ajay Kavan, Vize-Präsident von Amazon Fresh. Man werde sich in dem bislang begrenzten Gebiet die Zeit nehmen, den Service aufgrund der gewonnenen Erfahrunge­n weiter zu verbessern. „Wir überlegen uns methodisch und sehr spezifisch, wie wir dieses Angebot um andere Postleitza­hlgebiete erweitern werden“, betont Kavan. Denn all die Versuche, die es bereits gab und noch immer gibt, Whiskey, Nudeln und andere haltbare Lebensmitt­el online zu verkaufen, dienen ja eigentlich nur einem Ziel: jedes Produkt der Welt zu verkaufen.

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