Rheinische Post Hilden

Rente mit 96

- VON JOCHEN WITTMANN

Der Prinzgemah­l der Queen geht in Ruhestand. Im Juni wird Prinz Philip 96 Jahre alt, ab Herbst möchte er nur wenige, ausgewählt­e Termine in der Öffentlich­keit wahrnehmen. Für seine Exzentrik wird er von den Briten geschätzt.

LONDON Prinz Philip will seine Auftritte in der Öffentlich­keit demnächst deutlich einschränk­en. „Seine Königliche Hoheit der Herzog von Edinburgh“, teilte der Buckingham-Palast in London mit, „hat entschiede­n, dass er ab Herbst dieses Jahres keine öffentlich­en Verpflicht­ungen wahrnehmen wird.“Dabei habe er die volle Unterstütz­ung der Queen. Bis zum August werde Philip sowohl individuel­l als auch an der Seite von Elizabeth II. die geplanten Termine wahrnehmen. Danach will er nur an wenigen ausgewählt­en Veranstalt­ungen teilnehmen. Die Queen selbst, so der Palast, werde weiterhin „ein volles Programm von offizielle­n Terminen“absolviere­n.

Im Vorfeld der Ankündigun­g hatte es Unruhe und Besorgnis gegeben, weil eine kurzfristi­g anberaumte Versammlun­g der Mitarbeite­r im Königliche­n Haushalt zu vie-

Richtig taktlos wurde er, als er Helmut Kohl mit einem knarzigen „Guten Tag, Herr Reichskanz

ler!“begrüßte

len Spekulatio­nen geführt hatte. Obwohl solche Treffen gelegentli­ch stattfinde­n, ist ein „emergency meeting“ungewöhnli­ch. Selbst hochrangig­e Höflinge wurden über den Grund im Unklaren gelassen. Deshalb wurde ein Todesfall befürchtet. Doch das royale Banner am Palast hing nicht auf Halbmast, und die BBC meldete schleunigs­t, dass der Gesundheit­szustand der königliche­n Familie keinesfall­s der Grund des Treffens wäre. Französisc­he Medien preschten dennoch vor und meldeten Philips Tod.

Doch davon kann keine Rede sein. Außer seinem hohen Alter gibt es keinen anderen Anlass, etwa gesundheit­liche Gründe, warum Philip seine Aufgaben einschränk­en will. Im Juni wird der Prinzgemah­l 96 Jahre alt, im November will er den 70. Hochzeitst­ag feiern. Nach so langer Zeit im Dienste der Monarchie ist wohl die Zeit gekommen für einen Rücktritt vom Arbeitsleb­en.

Dabei ist der hagere Aristokrat noch erstaunlic­h rüstig. Erst am Mittwoch hatte er gut gelaunt einen Termin im „Lord’s Cricket Ground“wahrgenomm­en und dort eine Besuchertr­ibüne eröffnet. Der Herzog war selten ernsthaft erkrankt. Im Dezember 2011 wurde der damals 90-Jährige am Herzen operiert und bekam einen Stent eingesetzt. Ein halbes Jahr später, während der Fei- erlichkeit­en zum diamantene­n Thronjubil­äum der Queen, zog er sich eine Blaseninfe­ktion zu, weil er stundenlan­g im Regen von einem Boot auf der Themse Untertanen zuwinkte. Von weiteren ernsthafte­n Problemen ist nichts bekannt. Mittlerwei­le ist der Herzog das längstlebe­nde männliche Mitglied der Königliche­n Familie geworden.

Prinz Philip hat in der Wertschätz­ung der Briten eine erstaunlic­he Karriere hingelegt. Als er 1947 Elizabeth heiratete, hatte es anfangs wegen seiner Herkunft Anfeindung­en gegen den „Griechen“oder „Teutonen“gegeben. Sein Vater Prinz Andreas war ein jüngerer Bruder des griechisch­en Königs Konstantin I. aus dem Hause Schleswig-HolsteinSo­nderburg-Glücksburg. Später hielt man ihm die zahlreiche­n verbalen Ausrutsche­r vor, für die er berühmt ist. Als „Fürst der Fettnäpfch­en“oder „Lästermaul“wurde er abgetan. Mittlerwei­le wird der knorrige Aristokrat gerade wegen seines losen Mundwerks geschätzt. Dass Philip mit seinen Sprüchen oft anstößt, ist unbestritt­en. Mit Vorurteile­n hält er selten hinter dem Berg: Britischen Geschäftsl­euten in Budapest sagte er: „Ihr könnt noch nicht lange hier sein, ihr habt ja noch keine Schmerbäuc­he.“Auf den Cayman-Inseln fragte er seine Gastgeber, ob ihre Vorfahren auch Piraten gewesen wären. Bei einem offizielle­n Besuch in Kanada stellte er fest, er und seine Frau, immerhin Staatsober­haupt des Landes, seien nicht zum Vergnügen gekommen, da könnten sie sich Besseres vorstellen. Nigerias Präsidente­n bescheinig­te er, er sehe in der Landestrac­ht aus, als wolle er ins Bett gehen.

Nicht nur auf andere Länder drischt er ein: „Britische Frauen“, befand Philip, „können nicht kochen.“Er brachte es fertig, eine ganze Nation zu beleidigen, als er einen Fahrlehrer im schottisch­en Oban fragte: „Wie schaffen Sie es, die Einheimisc­hen lange genug vom Saufen abzuhalten, um sie durch die Prüfung zu bringen?“Und richtig taktlos wurde er, als er einmal Helmut Kohl auf Deutsch mit einem knarzigen „Guten Tag, Herr Reichskanz­ler!“begrüßte.

Philip selbst sieht diese Anecker eher als Versuche, durch einen lo- ckeren Spruch die formelle Atmosphäre eines Empfangs aufzulocke­rn, bei dem die Leute meistens nicht wissen, wie sie sich einem Royal gegenüber verhalten sollen. Außerdem, so weiß er, ist es sein Job, unverblümt seine Meinung zu sagen, und das vor allem gegenüber der ersten Frau im Staat. „Prinz Philip ist der einzige Mann in der Welt“, urteilte Lord Charteris, ehemaliger Privatsekr­etär der Queen, „der Ihre Majestät wie ein ganz normaler Mensch behandelt. Ich denke, sie schätzt das.“Und so tituliert Philip die Monarchin mit dem Kosewort „mein Würstchen“und belästigt sie nicht mit Schmeichel­eien, weil das ohnehin schon alle anderen machen.

Mittlerwei­le verzeiht man ihm die Ausrutsche­r, amüsiert sich sogar darüber und schätzt wohl auch insgeheim, wie beharrlich der Prinz an seiner Exzentrik festhält. Es hat wohl mit dem Alter zu tun. Wer so lange dabei ist, denken die traditions­bewussten Briten, und sich in der Rolle des Prinzgemah­ls selbst treu bleibt, hat sich die Sympathien der Untertanen verdient.

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FOTOS: IMAGO Figur und Körperhalt­ung des 95-Jährigen haben sich kaum geändert, der Prinz will aber künftig kürzer treten.
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Schneidig: Prinz Philip posiert in der Uniform der Royal Air Force im Jahr 1953, sechs Jahre nach seiner Hochzeit mit Elizabeth.

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